Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit der fiktiven Schadensabrechnung im Deliktsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Der Geschädigte ist berechtigt, gemäß der eindeutigen Regelung des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung des vorherigen Zustands den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen.
2. Die Rechtsprechung des BGH zum Werkvertragsrecht vom 22.2.2018 - VII ZR 46/17 - kann nicht auf das Deliktsrecht übertragen werden. Es besteht auch kein Anlass zu einer entsprechenden Rechtsfortbildung, da es mangels einer Austauschbeziehung nicht zu einer Überkompensation oder Äquivalenzstörung kommen kann.
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 23.11.2018; Aktenzeichen 2 O 471/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 23.11.2018 abgeändert. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner über den im Urteil tenorierten Betrag hinaus verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 1.403,25 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2016 sowie weitere vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 157,79 EUR zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 10 %, die Beklagten 90 %. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin 30 %, die Beklagten 70 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 2.037,68 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin hat die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom XX.9.2016 in Anspruch genommen, der sich gegen 15:30 Uhr auf der Straße1 in Stadt1 ereignet hat.
Die Beklagten haften für die Schäden der Klägerin in vollem Umfang. Die Klägerin hat ihre Ersatzansprüche zunächst erfolglos gegenüber den Beklagten geltend gemacht und nach einer Frist bis zum 24.11.2016 entsprechende Klage erhoben. Die Beklagte zu 2) hat unter dem 1.12.2016 die Schäden weitgehend anerkannt und abgerechnet, allerdings Abzüge bei den Reparaturkosten und der Wertminderung vorgenommen.
Das Landgericht hat Beweis über den Umfang der Reparaturkosten erhoben, ebenso über die Wertminderung. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Berücksichtigung günstigerer Werkstätten Netto-Reparaturkosten lediglich von 5.598,25 EUR anfallen würden und die Wertminderung 500 EUR betrage.
Hinsichtlich der gezahlten Beträge haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf das hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands sowie der dort gestellten Anträge Bezug genommen wird, der Klage lediglich i.H.v. 150 EUR stattgegeben, die die Differenz zu der gezahlten Wertminderung darstellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der weiteren fiktiven Reparaturkosten habe, und zwar unabhängig davon, in welcher Höhe diese erforderlich seien. Fiktive Reparaturkosten könnten nicht als erstattungsfähiger Schaden im Sinne der §§ 249 f. BGB angesehen werden. Zur Begründung hat das Landgericht sich im Wesentlichen auf die Entscheidung des VII. Zivilsenats des BGH (MDR 2018, 465) bezogen und ausgeführt, dass sich die Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht uneingeschränkt auf die Geltendmachung anderer fiktiver Schadensbeseitigungs-kosten im Rahmen eines vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzes übertragen lasse. Das Ergebnis sei auch nicht unbillig, da es der Klägerin überlassen bleibe, wie sie den Schaden reparieren lasse. Wenn sie tatsächlich keine Reparaturkosten aufwände, gelte das schadensrechtliche Bereicherungsverbot in Verbindung mit einem verbleibenden Minderwert.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlichen abgewiesenen Ansprüche weiterverfolgt.
Die Klägerin wendet sich gegen die Argumentation des Landgerichts und weist darauf hin, dass § 249 Abs. 2 BGB dem Geschädigten erlaube, den zur Reparatur notwendigen Betrag zu verlangen. Diesen schadensersatzrechtlichen Grundregelungen widerspreche die Argumentation des Landgerichts.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 23.11.2018 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.037,68 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2016 sowie weitere vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 236,69 EUR zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Der Senat hat durch Beschluss vom 18.6.2019 auf seine vorläufige ...