Entscheidungsstichwort (Thema)
Relevante Umstände für die Festsetzung des Schmerzensgeldes
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Rechtsanwalt auch gegenüber dem Kaskoversicherer tätig, handelt es sich gebührenrechtlich um eine Angelegenheit. Die dafür anfallenden Gebühren können im Rahmen der Schadensersatzansprüche gegenüber dem Schädiger als quotenbevorrechtigte Positionen geltend gemacht werden.
2. Für gebrauchte Motorradkleidung gibt es keinen Gebrauchtmarkt, so dass der Neuwert im Wege der Vorteilsausgleichung in Relation des Alters zur durchschnittlichen Lebensdauer herabzusetzen ist.
3. Bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes kommt es nicht auf den Zustand des Verletzten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an, sondern es sind sämtliche für einen Fachkundigen bereits absehbaren möglichen langfristigen Auswirkungen der Verletzung zu berücksichtigen.
4. Die Sicherheit einer Zeugenaussage lässt keinen Rückschluss auf Ihre objektive Richtigkeit zu; ebenso gibt es auch im Verkehrsunfallprozess keine Vermutung für die Wahrheitsgemäßheit einer Aussage. Es sind valide Realitätskriterien erforderlich, um eine Überzeugung im Rahmen des § 286 ZPO zu begründen.
Normenkette
BGB §§ 249, 253; VVG § 86; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 13.08.2008; Aktenzeichen 4 O 473/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Darmstadt vom 13.8.2008 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 1) 4.244,09 EUR nebst Zinsen i.H.v. jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.462,69 EUR seit dem 17.9.2007 und aus 781,40 EUR seit dem 7.7.2008 sowie weitere 446 EUR zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 2) 552,22 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.9.2007 sowie weitere 465,65 EUR zu zahlen.
3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 3) ein Schmerzensgeld i.H.v. 3.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.9.2007 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern 30 % aller zukünftigen oder noch nicht bezifferbaren Schäden aus dem Unfallereignis vom ... 2007 zu ersetzen, soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen.
5. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
6. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
7. Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Auslagen der Beklagten tragen die Klägerin zu 1) 10 %, der Kläger zu 2) 43 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 47 %. Von den außergerichtlichen Auslagen der Klägerin zu 1) tragen diese 29 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 71 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) tragen dieser 67 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 33 %.
8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
9. Der Streitwert wird auf 18.618,54 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über den Hergang des Verkehrsunfalls vom ... 2007 in O1. Der Beklagte zu 1) befuhr mit dem Pkw Marke X,..., die A-Straße in Richtung B-Straße. Er hielt an der Einmündung in die A-Straße an dem dortigen Stoppschild an, bog dann nach rechts in die B-Straße ab, um nach wenigen Metern in die schräg gegenüberliegende Straße "C" nach links abzubiegen. Der Kläger zu 2) näherte sich auf der B-Straße mit dem Motorrad ..., welches im Eigentum der Klägerin zu 1) steht und dessen Halter diese ist. Der Kläger zu 2) versuchte, an dem Pkw des Beklagten links vorbeizufahren. Dabei kollidierte er mit dem Fahrzeug, stürzte und verletzte sich. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Unfallereignis ausschließlich durch den Kläger zu 2) verursacht worden sei. Dem Beklagten zu 1) könne ein pflichtwidriges Verhalten nicht vorgeworfen werden. Der Beklagte zu 1) habe sich bereits längere Zeit auf der B-Straße befunden, er sei sehr langsam gefahren. Aufgrund der Zeugenaussagen der Zeugen Z1 und Z2 stehe fest, dass sich das Fahrzeug bereits schräg nach links eingeordnet habe. Die Insassen des Beklagtenfahrzeugs hätten im Rahmen der Ermittlungen des Regierungspräsidiums O2 angegeben, der Beklagte zu 1) habe vor dem Abbiegevorgang den linken Blinker gesetzt. Entsprechendes könne dem Beklagten zu 1) zumindest nicht widerlegt werden. Der Kläger zu 2) sei nach den Zeugenaussagen mit gänzlich unangepasster Geschwindigkeit gefahren. Dem Beklagten zu 1) sei demgegenüber ein Verstoß gegen seine Rückschaupflicht nicht vorzuwerfen, da er mit dem rücksichtslosen und gefährlichen Fahrverhalten des Klägers zu 2) nicht habe rechnen müssen.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie die erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen. Sie rügen einerseits die Beweiswürdigung des LG, das Zeugenaussag...