Leitsatz (amtlich)

Der Beweis einer Einwilligung und damit eines fingierten Unfalls ist geführt, wenn sich der "Unfall" als letztes Glied einer Kette gleichförmiger Geschehnisse darstellt, ohne dass sich die festgestellten Gemeinsamkeiten noch durch Zufall erklären ließen. Das gilt auch dann, wenn in diesem Sinne geeignete Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden könnten. Nicht ausreichend ist jedoch die nur erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Unfallmanipulation.

 

Normenkette

ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Entscheidung vom 12.02.2016; Aktenzeichen 7 O 652/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. Februar 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Kassel - 7 O 652/12 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 5.157,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Mai 2012 sowie 546,69 EUR vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. Mai 2012 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger als Eigentümer eines Pkw Marke1, amtliches Kennzeichen ..., nimmt die Beklagte in Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich am ... 2012 gegen 0:15 Uhr in der Straße1 in Stadt1 ereignet haben soll, auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger behauptet, er habe seinen Pkw am Abend des ... 2012 ordnungsgemäß am Straßenrand in der Straße1 geparkt. Der Fahrer des bei der Beklagten kraftfahrhaftpflichtversicherten Pkw Marke2, amtliches Kennzeichen ..., der Zeuge A, sei bei winterglatter Fahrbahn von der Fahrspur abgekommen und gegen seinen am Straßenrand stehenden Pkw gefahren.

Der vom Kläger beauftragte Sachverständige ermittelte für das klägerische Fahrzeug Reparaturkosten in Höhe von 12.018,94 EUR brutto, den Wiederbeschaffungswert bezifferte er mit 10.200,- EUR brutto, den Restwert mit 4.800,- EUR.

Nachdem der Kläger sein Fahrzeug im Folgenden zu einem Preis von 5.000,- EUR veräußert hatte, verlangt er von der Beklagten Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands in Höhe von 3.571,43 EUR (Wiederbeschaffungswert 8.571,43 EUR netto abzgl. erzielter Restwert 5.000,- EUR), eine Kostenpauschale von 25,- EUR, Ersatz von Sachverständigenkosten in Höhe von 778,65 EUR sowie Mietwagenkosten in Höhe 782,10 EUR, insgesamt 5.157,18 EUR, ferner die Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 546,69 EUR.

Die Beklagte macht geltend, dass es sich nicht um einen Unfall im Sinne eines unfreiwilligen Geschehens handele, es lägen erhebliche Indizien dafür vor, dass das Unfallereignis zwischen den Beteiligten abgesprochen gewesen sei.

Durch das angefochtene Urteil, auf das gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht nach Anhörung des Klägers, Vernehmung der Zeugen A und B sowie Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen C die Klage abgewiesen.

Dem Kläger stünden keine Schadensersatzansprüche zu, da nachgewiesen sei, dass die Rechtsgutverletzung mit Einwilligung des Klägers erfolgt sei und der Verkehrsunfall manipuliert, mithin nur vorgetäuscht sei.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 23. Februar 2016 in vollständig abgefasster Form zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Kläger mit am 24. Februar 2016 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und mit am 22. April 2016 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Kläger macht geltend, der Vollbeweis für das Vorliegen einer Unfallmanipulation sei nicht erbracht. Er rügt die hierzu Beweiswürdigung des Landgerichts als fehlerhaft. Das Landgericht habe Indizien zugrunde gelegt, die eine Unfallmanipulation nicht begründeten.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 12.02.2016 verkündete und am 23.02.2016 zugestellten Urteils des Landgerichts Kassel, 7 O 652/12, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.157,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere 546,69 EUR für die außergerichtliche Verfolgung der rechtlichen Interessen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die gemäß § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte und begründete Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom ... 2012 gemäß §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 VVG gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 5.157,18 EUR sowie auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten, weil der parkende Pkw Marke1 des Klägers bei dem Betrieb des bei der Beklagten kraftfahrhaftpflichtversic...

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