Leitsatz (amtlich)
Der teilweise Verlust des Inhalts eines Gepäckstücks (hier: Kamera) stellt ein Beschädigung i.S.v. Art. 31 II MÜ dar und unterliegt einer Anzeigepflicht, die auch durch die Kenntnis des Luftfrachtführers von einer Beschädigung des Gepäckstücks nicht entfällt.
Normenkette
MÜ §§ 17-18, 31
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 31 C 2053/05-74) |
Gründe
I. (eingefügt die Red.)
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einer Fluggesellschaft, Schadensersatz für den Verlust einer Kamera Marke X samt Speicherkarte und Lederetui, die ihr auf dem Flug von O1 nach O2 abhanden gekommen sein sollen.
Sie flog am 28.2.2005 mit der... Fluggesellschaft von O1 über O3 nach O2. Bei der Ankunft dort fehlte ihr Gepäck, ein Trolley. Dieser wurde erst am nächsten Tag in Abwesenheit der Klägerin in ihrem Hotel von Mitarbeitern der Beklagten abgegeben. Die Klägerin gelangte am späten Abend in den Besitz des Gepäckstücks. Am 2.3.2005 erstattete die Klägerin Anzeige bei der französischen Polizei wegen Diebstahls ihrer Kamera. Am 4.3.2005 trat sie den Rückflug nach O1 an. Zuvor erstattete sie auf dem Flughafen in O2 schriftliche Schadensanzeige bei der Niederlassung der Beklagten. Diese regulierte den Schaden am Trolley, den Verlust der Kamera jedoch nicht.
Das AG hat Beweis erhoben und die Zeugen Z1 und Z2 vernommen.
Sodann hat es die Beklagte durch Urteil vom 11.7.2006 verurteilt, an die Klägerin 768,59 EUR inklusive vorgerichtliche Anwaltskosten als Schadensersatz für die Digitalkamera zu zahlen.
Es hat ausgeführt, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Kamera während der Luftbeförderung i.S.v. Art. 18 I, 17 II des Übereinkommens von Montreal (im Folgenden MÜ) aus dem Gepäck der Klägerin entwendet worden sei. Die Klägerin habe den Fotoapparat auf dem Flug mit sich geführt, wie sich aus den Aussagen der Zeugen Z1 und Z2 ergeben habe. Die Kamera sei auch während der Luftbeförderung aus dem Gepäck der Klägerin entwendet worden. Eine vorbehaltlose Abnahme des Gepäcks durch die Klägerin könne nämlich nicht angenommen werden, so dass auch die Vermutung von Art. 31 I MÜ nicht anzuwenden sei. Der Klägerin sei nämlich das Gepäckstück nicht direkt übergeben worden. Es sei erst am 1.3.2005 in ihrem Hotel in Abwesenheit der Klägerin abgegeben worden. Zu diesem Zeitpunkt sei es unstreitig beschädigt gewesen. Dies begründe die Vermutung einer Entwendung der Kamera während des Flugs. Die schriftliche Schadensanzeige der Klägerin bei der Niederlassung der Beklagten auf dem Flughafen in O2 am 4.3.2005 vor dem Rückflug nach O1 könne noch als unverzüglich i.S.v. Art. 31 IV MÜ gelten.
Der Anspruch sei auch der Höhe nach in vollem Umfang begründet. Das gelte auch für die geforderten vorprozessualen Anwaltskosten.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Sie rügt an erster Stelle eine unzutreffende Beweiswürdigung des LG. Die Zeugen hätten lediglich erklärt, was üblicherweise geschehe. Eine konkrete Erinnerung hätten sie nicht wiedergeben können.
Außerdem habe das Gericht Art. 18 I MÜ verkannt. Das Gepäck sei nur bis zur Übergabe im Hotel in ihrer, der Beklagten, Obhut gewesen. Die Kamera könne auch danach im Hotel abhanden gekommen sein. Für Angestellte des Hotels hafte sie nicht. Die Mitarbeiter des Hotels seien befugt gewesen, das Gepäck für die Klägerin entgegen zu nehmen. Die Hotelangestellten hätten den Trolley ohne Prüfung oder Rügen angenommen. Dies begründe die Vermutung des Art. 31 I MÜ. Allein die Beschädigung des Trolleys begründe die Vermutung, die Kamera sei abhanden gekommen, nicht.
Zudem sei die Schadensanzeige nicht gem. Art. 31 I u. II MÜ erfolgt. Eine telefonische Anzeige genüge nicht. Die schriftliche Anzeige hätte die Klägerin auch per Fax, E-Mail, Telex oder mit der Post übermitteln können. Eine Fahrt zum Flughafen sei nicht notwendig gewesen. Die Anzeige vor dem Rückflug am 4.3.2005 sei demnach nicht unverzüglich erfolgt.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und hält die Beweiswürdigung für zutreffend.
Auch eine Verletzung materiellen Rechts liege nicht vor. Die Schadensanzeige am 4.3.2005 sei noch unverzüglich i.S.d. MÜ erfolgt. Gemäß Art. 31 II MÜ stehe hierfür ein Zeitraum von maximal 7 Tagen zur Verfügung, wobei hier zu berücksichtigen sei, dass ihr das Gepäck auch erst am Abend des 1.3.2005 ausgehändigt worden sei.
II. Die Zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch aus dem Beförderungsvertrag der Parteien i.V.m. Art. 17 II, 18 I, III MÜ vom 28.6.2004 nicht zu.
Zwar hat die Klägerin nachgewiesen, dass sie ihre Kamera auf dem fraglichen Flug mit der Beklagten mit sich führte und in ihrem Reisegepäck, einem Trolley, verstaut hatte. Das LG hat die Aussagen der Zeugen Z1 und Z2 zutreffend in dieser Weise gewürdigt.
Die Kamera ist auch bis zu ihrer Übergabe am 1.3.2005 im Hotel der Klägerin an diese in der...