Leitsatz (amtlich)

Anders als bei einem Wettbewerbsverband kann bei einem großen Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung unter bestimmten Umständen die Einschaltung eines Rechtsanwalts für eine Vielzahl wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen gegen einen Mitbewerber als erforderliche Aufwendung anerkannt werden.

 

Normenkette

RVG § 13; RVG-VV Nr. 2400; UWG § 12

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.05.2005; Aktenzeichen 3-11 O 158/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.05.2008; Aktenzeichen I ZR 83/06)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 13.5.2005 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Auf die tatsächlichen Feststellung im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 1.030,25 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2004 zu zahlen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stünde der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten i.H.v. 1.030,25 EUR gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu. Die Klägerin habe die Beklagte mit Anwaltschreiben vom 22.7.2004 zu Recht wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens von Werbern abgemahnt. Daher könne die Klägerin den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen von der Beklagten verlangen. Der Klägern seien durch die Abmahnung Kosten i.H.v. 1.030,25 EUR entstanden, da die Abmahnung eine Geschäftsgebühr gem. § 13 RVG i.V.m. Nr. 2400 RVG-VV ausgelöst habe, die gem. Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 RVG-VV nur zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des Eilverfahrens angerechnet worden sei. Die Zugrundelegung eines Streitwerts i.H.v. 150.000 EUR und eine 1,3-Geschäftsgebühr seien der Bedeutung der Sache angemessen. Die Klägerin sei auch berechtigt gewesen, ihre Bevollmächtigten mit der Abmahnung des Wettbewerbsverstoßes zu beauftragen, so dass die Erstattung der Anwaltskosten nicht wegen eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht abzulehnen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte vertritt unter Berufung auf die Entscheidung "Selbstauftrag" des BGH (BGH v. 6.5.2004 - I ZR 2/03, MDR 2004, 1145 = BGHReport 2004, 1199 = WRP 2004, 903 [904]) die Auffassung, die Beauftragung eines Rechtsanwalts sei nicht notwendig gewesen, weil die Klägerin über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfüge. Der abgemahnte Wettbewerbsverstoß sei einfach gelagert. Die Klägerin verfüge über eine eigene Rechtsabteilung mit einer Vielzahl von Volljuristen, die über genügend eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dieses Wettbewerbsverstoßes verfügten. Dies gelte ungeachtet der großen Zahl der zwischen den Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten.

Jedenfalls sei keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 RVG-VV angefallen; vielmehr sei lediglich eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV nebst Auslagenpauschale entstanden, die vom LG Frankfurt in dem Verfahren 3-12 O 111/04 nach §§ 104 ff. ZPO bereits festgesetzt worden sei. Es sei davon auszugehen, dass den Prozessbevollmächtigten der Klägerin wegen des diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Wettbewerbsverstoßes bereits zum Zeitpunkt der Abmahnung ein unbedingter Prozessauftrag erteilt gewesen sei. Denn der Klägerin sei bekannt, dass die Beklagte grundsätzlich keine strafbewehrten Unterlassungserklärungen abgebe.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Insbesondere vertritt sie weiterhin die Auffassung, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Allein in den Jahren 2000 bis 2004 habe ihr Prozessbevollmächtigter 1.300 Akten betreffend Vorgänge beim Direktmarketing ihrer Mitbewerber angelegt; hiervon hätten 540 Vorgänge die Beklagte betroffen. Desweiteren trägt sie unwidersprochen vor, dass ein Fall, bei dem bereits der Sachverhalt tatsächlich und rechtlich von ihrer Rechtsabteilung so bearbeitet sei, dass lediglich noch die Abmahnung oder Anforderung der Vertragsstrafe durch ihren Prozessbevollmächtigten anzufordern sei, bisher nicht vorgekommen sei. Vor allem sende ihre Rechtsabteilung dem beauftragten Rechtsanwalt keine vorformulierten Abmahnungen oder vorformulierte Anschreiben an die Schuldnerin.

Wegen des Weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Dies wäre nach altem Recht der Fall gewesen, weil die Geschäftsgeb...

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