Entscheidungsstichwort (Thema)
"Opt-in"-Erfordernis für fakultative Zusatzleistungen bei Flugbuchungen
Leitsatz (amtlich)
1. Dem in Art. 23 Abs. 1 Satz 4 VO(EG) Nr. 1008/2008 enthaltenen Erfordernis, wonach bei der Buchung von Flügen im Internet die Annahme fakultativer Zusatzleistungen (hier: Reiserücktrittsversicherung) "auf opt-in-Basis" erfolgen muss, wird grundsätzlich auch dadurch genügt, dass der Kunde den eingeleiteten Buchungsvorgang nur fortsetzen kann, wenn er sich für oder gegen die Inanspruchnahme der Zusatzleistung entschieden hat (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
2. In dem in Ziff. 1. genannten Fall kann die konkrete Ausgestaltung des Buchungsvorgangs unlauter sein, wenn sie den Verbraucher irreführt (§ 5 UWG) oder unsachlich beeinflusst (§ 4 Nr. 1 UWG). Bei der Beurteilung, ob eine unsachliche Beeinflussung vorliegt (im Streitfall verneint), ist auch zu berücksichtigen, dass der Verbraucher bei Flugbuchungen über das Internet einem gewissen Zeit- und Entscheidungsdruck ausgesetzt ist.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 1, § 5; EGV 1008/2008 Art. 23 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.01.2014; Aktenzeichen 2-6 O 379/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.1.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Er verfolgt im Rahmen seiner satzungsmäßigen Aufgaben Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und ist darüber hinaus befugt, Unterlassungsansprüche gem. §§ 1, 2 UKlaG geltend zu machen.
Die Beklagte bietet unter ihrer Internetadresse www ... com Luftbeförderungsleistungen an und hält dort ein elektronisches Buchungssystem bereit. Im Rahmen des zweiten Buchungsschritts sind die personenbezogenen Angaben des Reiseteilnehmers einzutragen. Außerdem wird in einem gelb unterlegten Balken auf einen "X Reiseschutz" hingewiesen.
Nach einem Hinweis "Reiseschutz nicht vergessen - ohne kann es teuer werden" besteht die Möglichkeit der Auswahl unter zwei Kästchen (sog. Checkboxes):
- "Reiserücktrittsversicherung inclusive Reiseabbruch 24 EUR pro Erwachsener".
- "Ich verzichte auf einen Reiseschutz und trage im Schadensfall alle Kosten selbst"
Solange der Buchende keines der beiden Kästchen anklickt, kann er nicht zum nächsten Buchungsschritt übergehen. Vielmehr erscheint in roter Schrift der rot hinterlegte Hinweis: "Bitte tätigen Sie in der Rubrik Reiseversicherung eine Auswahl". Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die unten eingeblendete Internet-Maske sowie auf die Ausdrucke des Internet-Buchungsvorgangs Bezug genommen (Bl. 10 - 14 d.A.).
Der Kläger hat der Beklagten vorgeworfen, damit gegen Art. 23 Abs. 1 S. 4 VO (EG) 1008/2008 (im Folgenden: EU-LuftverkehrsdiensteVO) verstoßen zu haben und sie deswegen abgemahnt. Die Beklagte hat wegen weiterer Verletzungsvorwürfe eine Unterlassungserklärung abgegeben und sich verpflichtet, dem Kläger seine Aufwendungen für diese Abmahnung zu ersetzen (Bl. 21 d.A.)
Der Kläger hat der Beklagten ferner vorgeworfen, die Verbraucher durch die Gestaltung der Rubrik unsachlich zu beeinflussen, weil der Eindruck erweckt werde, dass sich der Reisende einem massiven Risiko aussetze, wenn er nicht die von der Beklagten gewünschte Auswahl treffe. Tatsächlich könne die angebotene Versicherung "im Schadensfall" nicht "alle Kosten" abdecken, sondern beschränke sich auf eine Versicherung gegen Stornokosten, eine Reiseabbruch-, Reisekranken- und Reisegepäckversicherung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
Das LG hat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung gesetzlicher Ordnungsmittel zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Rahmen eines Systems zur Buchung von Flügen über die Internetseite mit der Adresse www .... com den Abschluss eines Versicherungsvertrages derart anzubieten, dass der Buchungsvorgang nur dann fortgesetzt werden kann, wenn der Verbraucher eine Auswahl unter den nachfolgend abgebildeten Auswahlfeldern (Checkbox) getroffen hat
Abbildung
Ferner ist die Beklagte zur Zahlung der Abmahnkosten verurteilt worden.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung greift die Beklagte den Unterlassungstenor des landgerichtlichen Urteils an. Sie wirft dem LG vor, Art. 23 Abs. 1 S. 4 EU-LuftverkehrsdiensteVO fehlerhaft angewandt zu haben. Das hier verwendete Modell lasse sich weder nach dem Wortlaut dieser Vorschrift noch nach dessen Zielrichtung als "Opt-Out" - Erklärung kla...