Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage von Art und Umfang der Winterdienstpflicht von Kommunen
Normenkette
StrG HE § 10; BGB § 823
Verfahrensgang
LG Kassel (Urteil vom 04.10.2011; Aktenzeichen 8 O 1268/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Kassel vom 4.10.2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der beklagten Stadt1 Schadensersatz, Schmerzensgeld, Freistellung von Anwaltskosten und Feststellung wegen behaupteter Verkehrssicherungspflichtverletzung.
In der Nacht vom ... auf den ... Januar 2011 fiel im Stadtgebiet Stadt1 Neuschnee in einer Menge von etwa drei bis fünf Zentimetern. Bereits zuvor hatten winterliche Verhältnisse geherrscht, und es lag eine Altschneedecke von ca. 20 Zentimetern.
Am Morgen des ... Januar 2011 rückte gegen 6.00 Uhr der Winterdienst der Beklagten aus und räumte u.a. auch den Bereich der A-straße und der B Straße. Dabei wurde auch der auf der B Straße befindliche Fußgängerüberweg maschinell von Schnee und Eis geräumt.
Die Temperaturen lagen tagsüber knapp unter dem Gefrierpunkt. Gegen 17 Uhr fielen die Außentemperaturen weiter ab, was zu einem stellenweisen Überfrieren der Verkehrsflächen führte. Daraufhin rückte der Winterdienst der Beklagten gegen 18 Uhr erneut aus und wurde tätig, u.a. auch im Bereich A-straße/B Straße.
Inwieweit der Kläger an diesem ... Januar 2011 gegen 17.20 Uhr stürzte, ist zwischen den Parteien streitig.
Vom ... bis zum 10.1.2011 befand sich der Kläger wegen einer Trimalleolarfraktur S82.82 links (vgl. Bl. 14 f. d.A.) stationär im Stadtkrankenhaus Stadt1. Ein weiterer stationärer Aufenthalt erfolgte vom 17. bis zum 26.1.2011; hier wurden zusätzlich ein Hämatom im Außenknöchelbereich S90.0 links und eine Wunddehiszenz T81.3 links (vgl. Bl. 16 f. d.A.) diagnostiziert.
Der Kläger hat behauptet, er sei am ... Januar 2011 gegen 17.20 Uhr auf dem Heimweg von der Stadt1 Innenstadt zu seinem Wohnhaus im Kreuzungsbereich A-straße/B Straße beim Überqueren des über die B Straße führenden Fußgängerüberwegs infolge von Schneematsch und Straßenglätte mittig zu Fall gekommen und gestürzt; hierdurch sei es zu den geschilderten Verletzungen gekommen. Der weitere Heilungsverlauf sei nicht absehbar; insbesondere sei der Eintritt vorfallsbedingter Spätfolgen bzw. eines fortschreitenden Gelenkverschleißes nicht auszuschließen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der von ihm benutzte Fußgängerüberweg stelle eine verkehrswichtige Fläche dar, da er sich im Bereich einer Kreuzung zweier Hauptverkehrsstraßen mit erhöhtem Verkehrsaufkommen befinde und Fußgänger auf ihn angewiesen seien. Die Beklagte sei im Hinblick auf die bestehenden Witterungs- und Straßenverhältnisse verpflichtet gewesen, den Fußgängerüberweg auch tagsüber zu räumen und zu streuen.
Der Kläger hat beantragt,
1.) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1297,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.8.2011 zu zahlen;
2.) die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.4.2011 zu zahlen;
3.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm etwaige Zukunftsschäden aus dem Unfallereignis vom ... Januar 2011 zu ersetzen;
4.) die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 546,69 EUR freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, durch den Winterdienst am Morgen des ... Januar 2011 sei sie ihrer Verkehrssicherungspflicht in hinreichendem Maße nachgekommen. Zudem könne ein ständiges Freihalten des Stadtgebietes von Eis und Schnee unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit nicht verlangt werden.
Durch das dem Kläger am 28.10.2011 (Bl. 64 d.A.) und dem Beklagten am 25.10.2011 (Bl. 65 d.A.) zugestellte Urteil vom 4.10.2011, auf das Bezug genommen wird, hat das LG Kassel die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe keine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflichtverletzung begangen. Zwar sei nach den glaubhaften Angaben des Klägers anlässlich dessen Anhörung davon ausgegangen, dass dieser beim Überqueren des Fußgängerüberwegs auf einem Eisfleck ausgerutscht und gestürzt sei. Dieser Sturz beruhe aber nicht auf einer der Beklagten zuzurechnenden Verletzung der Räum- und Streupflicht.
Die Beklagte habe sowohl am Morgen gegen 6 Uhr den Fußgängerüberweg maschinell von Schnee und Eis geräumt als auch - nach Fallen der Temperaturen gegen 17 Uhr - gegen 18 Uhr nochmals den betreffenden Bereich bestreuen lassen. Damit sei sie ihrer Verkehrssicherungspflicht, zumal unter Berücksichtigung einer ihr zuzubilligenden Reaktionszeit, in ausreichendem Maße nachgekommen.
Vor Beginn des Abfallens der Temperaturen gegen 17 Uhr sei sie dagegen nicht verpflichtet gewesen, den Fußgänger...