Leitsatz (amtlich)
Beeinträchtigungen durch Somatisierungsstörungen sind durch die Psychoklausel ausgeschlossen.
Normenkette
AUB 2008 Nr. 5.2.6
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 04.09.2009; Aktenzeichen 3 O 231/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 4.9.2009 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.158,08 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.9.2007 zu zahlen.
Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 11/12, die Beklagte 1/12 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der Gegenseite gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils vollstreckten Betrags leistet.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Invaliditätsentschädigung und Übergangsleistung aus der Unfallversicherung. Er hat sich bei einem Fahrradunfall am ... 2005 einen Bruch des dritten Lendenwirbels zugezogen. Er behauptet, diese Verletzung habe zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen geführt. Er sei infolge des Unfalls auch depressiv geworden und leide an Somatisierungsstörungen.
Die Beklagte bestreitet fortwirkende Beeinträchtigungen durch den Unfall. Die bei dem Kläger eingetretene depressive Erkrankung mit Somatisierungsstörungen beruhe nicht auf dem Unfall, sondern habe unfallunabhängige Ursachen. Soweit das Unfallgeschehen im Sinne einer Somatisierungsstörungen falsch verarbeitet worden sei, greife der in Ziff. 5.2.6 AUB 2000 vereinbarte Leistungsausschluss ein.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger keine bleibenden körperlichen Schäden durch den Unfall vortrage. Der ärztlich festgestellte Zustand nach Wirbelkörperfraktur bedeute keine bleibenden Verletzungen. Die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen seien daher nur durch psychogene Faktoren zu erklären und würden in den über den Kläger erstellten Gutachten auch nur auf diese Weise erklärt. Dies gelte erst recht für die bei dem Kläger bestehende Depression. Diese Unfallfolgen seien aber vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Es handle sich nicht um eine krankhafte Veränderung der Psyche infolge einer physischen Hirn -oder Nervenschädigung.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, zu deren Begründung ausgeführt wird, dass das LG die Rechtsprechung des BGH zu der fraglichen Ausschlussklausel nicht zutreffend angewendet habe. Es reiche aus, dass durch eine organische Verletzung eine psychische Fehlverarbeitung hervorgerufen worden sei. Unabhängig davon liege aber auch eine andauernde organische Schädigung vor. Der Kläger habe im Schriftsatz vom 10.6.2009 vorgetragen, dass die Bewegungseinschränkungen und Schmerzen unmittelbar auf den Bruch des dritten Lendenwirbels zurückzuführen seien. Es bestehe ein orthopädisches Leiden und neurologische Defizite. Bereits daraus resultiere die geltend gemachte Invalidität. Darüber hinaus macht der Kläger geltend, dass für die Übergangsleistung die Ausschlussklausel für krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen nicht vereinbart sei. Arbeitsunfähigkeit habe unfallbedingt für mindestens 6 Monate bestanden.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 82.317,99 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.9.2007 zu zahlen, die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger 1.660,16 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben über das Ausmaß unfallbedingter, körperlicher Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Klägers durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des orthopädischen Sachverständigen Prof. Dr. SV1.
II. Die Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet. Im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.
Der Kläger kann eine Invaliditätsentschädigung nach einem Invaliditätsgrad von 10 % beanspruchen. Da unterhalb von 25 % die vereinbarte Progression nicht eingreift, beträgt die Entschädigung 10 % der vereinbarten Invaliditätssumme von 140.000 DM, also 14.000 DM bzw. 7.158,08 EUR.
Entgegen der Ansicht des LG war der Kläger nicht genötigt, eingehenden medizinischen Vortrag zu der Frage zu halten, in welcher Weise die Unfallverletzung zu dem von dem Kläger behaupteten Invaliditätsgrad geführt hat. Die Lendenwirbelfraktur mit Deckplattenkompressionen ist keine banale Verletzung und prinzipiell geeignet, Dauerfolgen hervorzurufen. Näheres musste der Kläger hierzu nicht vortrag...