Entscheidungsstichwort (Thema)

VW-Diesel-Skandal: Kein Schadenersatz wegen Erwerbs eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschaltvorrichtung im Januar 2016; kein Anspruch auf "Rückgängigmachung" des Vertrages auf Grund des Software-Updates bei Kaufvertragsschluss vor Aufspielen des Updates

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Erwerb eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs nach Informationen der Öffentlichkeit durch den Motorenhersteller haftet dieser nicht mehr nach § 826 BGB, da es an dem erforderlichen schadensrechtlichen Zurechnungszusammenhang fehlt.

2. Wird ein Software-Update nach Abschluss des Kaufvertrags mit einem Dritten aufgespielt, kann die "Rückgängigmachung" des Vertrags wegen vermeintlicher weiterer Mängel auf Grund des Updates nicht verlangt werden, da der Käufer nicht durch ein haftungsbegründendes Verhalten des Motorenherstellers im Zusammenhang mit dem späteren Aufspielen des Software-Updates zum Abschluss des Kaufvertrags gebracht worden ist.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 826; EGVO 715/2007 Art. 5 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.03.2019; Aktenzeichen 2-12 O 364/18)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung des Klägers gegen das am 06.03.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2-12 O 364/18) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Abweisung seiner Klage, mit der er die Beklagte auf Schadenersatz wegen des Erwerbs eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs in Anspruch genommen hat.

Der Kläger erwarb am 17.01.2016 einen gebrauchten VW Caddy 1,6 l TDI mit einem Kilometerstand von 21.800 km zum Preis von 18.500 EUR von seinem im benachbarten Haus wohnhaften Bruder A (Anlage K 14, Anlagenband).

Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Die Motorsteuerung des Motors war ursprünglich so programmiert, dass im Falle des Durchlaufens des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), welcher Teil des Typgenehmigungsverfahrens ist, die Abgasrückführung in einen NOx-optimierten Betriebsmodus (Modus 1) versetzt wird, während sie außerhalb des NEFZ im Straßenverkehr im nicht NOx-optimierten Betriebsmodus (Modus 0) operiert. Im Modus 0 ist die Abgasrückführungsrate geringer.

Das Kraftfahrbundesamt (KBA) hatte mit Bescheid vom 15.10.2015 einen verpflichtenden Rückruf für sämtliche betroffene Fahrzeuge mit diesem Dieselmotor und zur Entfernung der Abschalteinrichtung angeordnet. Gleichzeitig hatte es in einer Presseerklärung öffentlich gemacht, dass es sich seiner Auffassung nach bei der verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele und der Beklagten auferlegt worden sei, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge zu ergreifen.

Bereits im September 2015 hatte die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG veröffentlicht, in der sie auf Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software hingewiesen hatte. Ferner hatte sie im Rahmen einer Presseerklärung vom selben Tag die Öffentlichkeit darüber informiert, dass bei Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei. Auch die Vertragshändler und Servicepartner wurden hierüber in Kenntnis gesetzt.

Anfang Oktober 2015 hatte die Beklagte eine Internetseite eingerichtet, auf der durch Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer überprüft werden konnte, ob das jeweilige Fahrzeug von dem Abgasskandal betroffen ist, worüber sie in einer Pressemitteilung informierte, die von der Presse aufgegriffen wurde.

Am 15.10.2015 hatte die Beklagte eine Pressemitteilung veröffentlicht, dass sie mit dem KBA einen Zeit- und Maßnahmenplan zur Beseitigung der Umschaltlogik beschlossen habe, wobei der Rückruf im Januar 2016 starten werde, worüber die Presse berichtete.

Die Beklagte hatte hierzu ein Software-Update, das durch den Einbau eines sog. Strömungsgleichrichters ergänzt wurde, für die betroffenen Motoren entwickelt, durch das das Abgasrückführungssystem überarbeitet wird, wobei sie über den Fortgang der Maßnahmen mit weiteren Presseerklärungen informierte. Der Freigabeprozess des KBA begann am 27.01.2016. Auch für den hier betroffenen Fahrzeugtyp gab das KBA die zur Beseitigung entwickelte Maßnahme (Software-Update nebst Strömungsgleichrichter) frei. In dem betreffenden Schreiben vom 03.11.2016, redaktionell geändert am 21.11.2016 (Anlage B 2, Anlagenband), heißt es:

"[...] Folgende Sachverhalte wurden durch das KBA mit dem dargestellten Ergebnis überprüft:

A) Nichtvorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen

Ergebnis: Es wurde keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt.

B) Offenlegung zulässiger Abschalteinrichtungen

Ergebnis: Die vorhandenen Abschalteinrichtungen wurden als zulässig eingestuft.

B) Schadstoffemissionen und Dauerhaltbarkeit von emiss...

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