Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung auf Scheingewinnen beruhender Vermittlerprovision
Leitsatz (amtlich)
Die Zahlung einer Vermittlungsprovision ist als unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit sie auf Scheingewinnen besteht, die den vermittelten Anlegern gutgeschrieben worden sind.
Normenkette
InsO §§ 134, 143
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 29.05.2009; Aktenzeichen 4 O 487/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Gießen vom 29.5.2009 - 4 O 487/08, abgeändert.
Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1.7.2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. GmbH Gesellschaft für die Durchführung und Vermittlung von Vermögensanlagen (im Folgenden: Schuldnerin).
Die Schuldnerin bot mit dem 1992 eingeführten B. (B) ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Nichterfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen, die sie im eigenen Namen auf Rechnung der Anlegergemeinschaft durchführte. Bereits zwischen 1992 und 1997 erlitt die Schuldnerin bei den Termingeschäften hohe Verluste, die sie den Anlegern ggü. durch manipulierte Buchungen und fingierte Gewinnzuweisungen verschwieg. In der Folge baute sie ein Schneeballsystem auf, bei dem sie die Einlagen von Neukunden dazu verwandte, Auszahlungen an Altkunden sowie Zahlungen für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten der Schuldnerin und ihre Vertriebspartner vorzunehmen.
Die Schuldnerin schloss mit der Fa. C am 26.4.1994 eine Vertriebsvereinbarung für den B. Nach § 6.2 dieses Vertrags erhielt der Vermittler neben einer Abschlussprovision für die Betreuung der Kunden eine Folgeprovision, die für jede Abrechnungsperiode (ein Monat) 0,4 % des arithmetischen Mittelwerts der Einlage der von ihm betreuten Kunden zu Beginn der Abrechnungsperiode und der Einlage zu Beginn der folgenden Abrechnungsperiode betragen sollte. Die vergüteten Folgeprovisionen berechnete die Schuldnerin unter Berücksichtigung von Scheingewinnen, die sie den einzelnen von ihrem Vertragspartner betreuten Kunden zugewiesen hatte.
Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch aus §§ 143, 134 InsO nach Anfechtung der innerhalb von vier Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlten Folgeprovisionen geltend, soweit diese unter Berücksichtigung des durch die Zuschreibung von Scheingewinnen aufgeblähten Beteiligungswerts der von der C betreuten Kunden am B ermittelt worden sind.
Er hat die Auffassung vertreten, dass es sich insoweit um unentgeltliche Leistungen der Schuldnerin gehandelt habe. Zudem hat er behauptet, die Beklagte sei Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Vertragspartnerin der Schuldnerin.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 84 bis 86 d.A.) Bezug genommen.
7Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die von der Schuldnerin an die Beklagte gezahlten Folgeprovisionen stellten keine unentgeltlichen Leistungen i.S.d. § 134 InsO dar. Die Schuldnerin habe eine Gegenleistung von der Beklagten für die gezahlten Folgeprovisionen erhalten, nämlich die Vermittlung von Geldanlagen. Dass die Schuldnerin die Geldzahlungen der Anleger nicht entsprechend der Anlagevereinbarung angelegt habe, ändere an dem Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vermittlungsprovision nichts. Die Berechnung der Vergütung für diese Gegenleistung aus Scheingewinnen mache die Leistung als solche nicht unentgeltlich. Auf diese Berechnungsweise hätten sich die Parteien verständigt. Die Scheingewinne dienten lediglich als Berechnungsgrundlage und führten nicht zur Unentgeltlichkeit der erbrachten Vermittlungsleistungen.
Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 86 bis 87 d.A.) wird verwiesen.
Gegen das ihm am 9.6.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 29.6.2009 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 3.8.2009 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Der Kläger rügt, dass das LG den Begriff der unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO verkannt habe. Nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Schuldnerin und der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der C stünde dieser ein Folgeprovisionsanspruch lediglich aus dem tatsächlichen Wert der Anlage der von ihr betreuten Kunden am B zu. Damit hätten die Parteien im Rahmen des ihnen zustehenden Bewertungsspielraums festgelegt, wann die Gegenleistung den Wert der Leistung der Schuldnerin erreiche. Die Schuldnerin habe, um den Betrug nicht aufdecken zu müssen, bewusst mehr an die Beklagte gezahlt als vertraglich geschuldet. Dieser Mehrzahlung stünde keine Gegenleistung der Beklagten gegenüber; sie sei damit sowohl rechtsgrundlos als auch unentgeltlich erfolgt.
Der Anteil der Folgeprovision, der zur Verdeckung des Betrugssystems an die Beklagte gezahlt worden sei, stünde nicht in rechtlicher Abhängigkeit zu der erbrach...