Leitsatz (amtlich)
Bei einem Sturz auf einem eisglatten Zebrastreifen vor einer Schule zur Zeit des Schulbeginns spricht regelmäßig der Beweis des ersten Anscheins für eine unfallursächliche Streupflichtverletzung der Gemeinde.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34; HStrG § 10 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.07.2004; Aktenzeichen 2-4 O 327/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.7.2004 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 980,14 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 893,42 EUR seit dem 12.2.2003 und aus 86,72 EUR seit dem 27.10.2004 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 7.500 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2003 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus dem Sturzunfall vom 14.1.2002 vor der Grundschule in O1 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 30 %, die Beklagte zu 70 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer Streupflichtverletzung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Zur Darstellung der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei zwar auf dem eisglatten Zebrastreifen vor der Grundschule gestürzt. Eine Haftung der Beklagten scheitere jedoch daran, dass der Hausmeister der Schule und ein weiterer Bediensteter der Beklagten mit einem Streufahrzeug die Unfallstelle vor dem Unfall gestreut hätten, was genüge. Die Berufung der Klägerin ist auf Rechtsausführungen und Angriffe gegen die landgerichtliche Beweiswürdigung gestützt.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 980,14 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 893,42 EUR seit dem 22.11.2002 und aus 86,72 EUR seit dem 27.10.2004 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes, mindestens 13.000 EUR betragendes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2003 zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Unfall vom 14.1.2002 vor der Grundschule in O1 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.
I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
A. Die Klage ist dem Grunde nach nicht aus § 823 BGB, wie das LG dies erwogen hat, sondern aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gerechtfertigt; die gemeindliche Streupflicht ist in Hessen öffentlich-rechtlich ausgestaltet (§ 10 Abs. 3, 4 HStrG). Aus der den Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellung des LG, die Klägerin sei am fraglichen Morgen zur Zeit des Schulbeginns auf dem eisglatten Zebrastreifen vor der Grundschule gestürzt, folgt ein Anscheinsbeweis für eine Streupflichtverletzung der Beklagten und für die Unfallursächlichkeit dieser Pflichtverletzung (BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 1 Streupflicht 7; BGH, Beschl. v. 17.9.1987 - III ZR 138/86, dokumentiert in BGH-DAT Zivil; v. 4.10.1983 - VI ZR 98/82, MDR 1984, 219 = NJW 1984, 432 ff., unter II 3b) bb) der Entscheidungsgründe; VersR 1962, 449 [450]; OLG Celle v. 27.2.2004 - 9 U 220/03, OLGReport Celle 2004, 208 = NJW-RR 2004, 1251; NZV 2001, 78 f. = juris-Rz. 7 f.; OLG Dresden v. 19.4.2000 - 6 U 3690/99, OLGReport Dresden 2000, 443; OLG Hamm v. 12.1.2000 - 13 U 146/99, OLGReport Hamm 2001, 313 ff. = juris-Rz. 18; OLG Köln v. 17.11.1995 - 19 U 37/95, OLGReport Köln 1996, 16 = NJW-RR 1996, 655 f.; OLG Frankfurt VersR 1980, 50 f.). Wenn der Hausmeister A und der Streuwagenfahrer B an dem fraglichen Morgen überhaupt gestreut haben, haben sie das jedenfalls in unzureichender Art und Weise getan, denn sonst hätte es an der herausragend verkehrswichtigen Unfallstelle um die Zeit des Schulbeginns nicht glatt sein können. Die Beklagte hat den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern können, insb. trotz eines terminsvorbereitenden Hinweises des Senats offen gelassen, wie, insb. mit welchem Material gestreut worden ist. Angesichts dessen können Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage A auf sich beruhen.
B. Der materielle Schaden der Klägerin aus dem Unfall ist unstreitig und ersatzfähig. Auch ihre unfallbedingten Beschw...