Leitsatz (amtlich)
1. Auch die Klinik kann für ein Verschulden ihres Belegarztes haften, wenn der Pflichtverstoß zugleich seinen Wirkungskreis als Geschäftsführer der Klinik tangiert.
2. Die Aufklärung am Vorabend einer schönheitschirurgischen Operation (Bauchdeckenstraffung) ist verspätet, wenn die Patientin erstmals mit erheblichen kosmetischen Folgen - wie einer deutlichen Vergrößerung der bereits existenten Unterbauchnarbe (15 auf 45 cm) oder mit längerfristigen Sensibilitätsstörungen - konfrontiert wird.
3. Bei einer kunstgerecht, aber ohne rechtzeitige Aufklärung durchgeführten Bauchdeckenstraffung rechtfertigen die vorgenannten Beschwerden und Nachteile ein Schmerzensgeld i.H.v. 6.000 EUR.
Normenkette
BGB §§ 31, 89, 823, 847
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 10.02.2004; Aktenzeichen 7 O 94/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.2.2004 verkündete Urteil des LG Wiesbaden (Az.: 7 O 94/03) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 7.000 EUR nebst 5 % Zinsen seit 24.5.2003 zu zahlen.
Die Beklagten werden darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz i.H.v. 2.024,87 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 24.5.2003 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin und die Beklagten ¼ zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren beträgt 35.903,99 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz nach einem chirurgischen Eingriff, den der Beklagte zu 1) am 29.1.2002 als Belegarzt in der Klinik der Beklagten zu 2) durchgeführt hat. Dort ist er auch als Geschäftsführer tätig.
Die Klägerin hatte 1992 eine gynäkologische Operation erleiden müssen. Hiervon war im Unterbauch eine ca. 15 cm lange kontrakte pfannenstielförmige Quernarbe verblieben. Oberhalb des Narbenbereichs hatte sich eine Fettfehlverteilung gebildet, die Hautreizungen und wiederkehrende Entzündungen hervorrief. Der Beklagte zu 1) riet der Klägerin, diese Narbe zu korrigieren.
Am 30.10.2001 fand ein Vorgespräch statt, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Der Beklagte zu 1) bestellte die Klägerin für den 28.1.2002 zur stationären Aufnahme in die Klinik der Beklagten zu 2) ein, der Operationstermin wurde auf den folgenden Morgen festgesetzt. Am 28.1.2002 unterzeichnete die Klägerin eine mit "Operationseinwilligung und Ärztlicher Dienstleistungsvertrag" überschriebene vorformulierte Erklärung. Der Beklagte zu 1) hatte handschriftlich als Dienstleistung "Narbenkorrektur, Fettsaugen an Hüften und Bauch" eingetragen. Weitere handschriftliche Eintragungen betreffen den Befund und die Risiken. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der als Anlage K 2 zur Klageschrift vorgelegten Erklärung (Ablichtung Bl. 9 d.A.) verwiesen.
Im Operationsbericht vom 29.1.2002 wird der Eingriff als "Narbenkorrektur, Abdominoplastik mit Fettabsaugung" beschrieben (Ablichtung Bl. 10 d.A.). Die Klägerin verblieb noch bis zum 7.2.2002 stationär in der Klinik der Beklagten zu 2). In der Patientenkartei ist unter dem 3.2.2002 vermerkt, dass sie Schmerzen im Bereich des Gesäßes angegeben hatte, wo eine ca. 1 Pfennig große Entzündung aufgefunden worden sei (Bl. 236 d.A.).
Die Klägerin hat behauptet, in dem Vorgespräch habe ihr der Beklagte zu 1) lediglich erklärt, er werde die Pfannenstielnarbe entfernen und einen kleinen, darüber liegenden Fettwulst. Sie wirft dem Beklagten zu 1) vor, entgegen der vorherigen Absprache eine große Abdominoplastik (Bauchdeckenstraffung) vorgenommen zu haben. Dieser Eingriff verursache bis heute fortwährende starke Spannungsgefühle und Sensibilitätsstörungen im gesamten Operationsgebiet und habe eine über 40 cm lange Narbe hinterlassen. Vom 29.1. bis 30.3.2002 sei die Klägerin arbeitsunfähig krank gewesen, habe außerdem einen für März 2002 geplanten Italien-Urlaub absagen und bis Juli 2002 den Beklagten zu 1) jeden zweiten Tag aufsuchen müssen, damit die über dem Schambein eingetretene Wundheilungsstörung behandelt werden konnte.
Durch Kriechstrom bei der Operation sei eine ca. 7 × 8 cm große und 0,5 cm bis 1,0 cm tiefe Verbrennung am Gesäß der Klägerin entstanden. Sie habe dies schon am Tag nach der Operation ggü. ihrem Ehemann beklagt. Ursache sei, dass die Klägerin während der Operation versehentlich in Desinfektionsmittel gelegen habe, so dass die am Gesäß befestigte Elektrode eine Stromreizung habe hervorrufen können. Die Verbrennung sei nur langsam verheilt und am 16.4.2002 von ihrem Gynäkologen Dr. A aufgefunden worden (Attest v. 12.8.2002 - Bl...