Entscheidungsstichwort (Thema)

Gläubigerbenachteiligung bei Freiwerden von Verpflichtungen aus Bürgschaft und Grundschuld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grundsätzlich liegt in jeder auf Kosten der Gesellschaft erlangten Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung regelmäßig eine Gläubigerbenachteiligung.

2. Anders ist der Fall dann zu beurteilen, wenn der Darlehensgeber keinen Anspruch aus der Sicherheit gegen den Gesellschafter hat, den er nach Insolvenzeröffnung gem. § 44a InsO geltend machen kann und der vor Insolvenzeröffnung eine Verpflichtung zur Freistellung nicht auslöst, denn in diesem Fall kann der Darlehensgeber allein den Schuldner aus dem Darlehen in Anspruch nehmen.

3. Dient die übernommene Bürgschaft ausweislich ihrer Zweckerklärung lediglich der "Erfassung zukünftiger Vermögensverlagerungen des Hauptschuldners auf den Bürgern" und wird diese Sicherheit durch eine Grundschuld "unterlegt", so bedeutet dies, dass entsprechend der demnach auch für die Grundschuld geltenden Zweckbestimmung auf die zweite Sicherheit nur dann zurückgegriffen werden können soll, wenn die erste Sicherheit nicht auskömmlich ist.

 

Normenkette

InsO § 143 Abs. 3 S. 1, § 135 Abs. 2, § 44a

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 22.05.2014; Aktenzeichen 3 O 153/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 22.5.2014 verkündete Urteil des LG Wiesbaden wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH und Co. Objekt ... KG (Schuldnerin). Er verlangt vom Beklagten, einem Kommanditisten der Schuldnerin, nach erklärter Insolvenzanfechtung die Zahlung eines weiteren Teilbetrages in Höhe von 200.000,00 EUR.

Mit Vertrag vom 27.03.2006 nahm die Schuldnerin zur Finanzierung eines Immobilienprojekts bei der B-bank eG ein Darlehen in Höhe von insgesamt 3.852.000,00 EUR auf. Wegen eines Betrages bis 500.000,00 EUR übernahmen der Beklagte und ein weiterer Kommanditist zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche aus dem Kreditvertrag zwischen der Schuldnerin und der B-bank eG am 07.02.2007 die selbstschuldnerische Bürgschaft. In der Bürgschaftserklärung heißt es u.a.: "Die Bürgschaft dient lediglich der Erfassung zukünftiger Vermögensverlagerungen des Hauptschuldners auf den Bürgern und/oder zukünftigen Vermögenserwerb aus Erbschaft, aus Lebensversicherungen oder aus Vermögensauseinandersetzungsansprüchen mit dem Hauptschuldner."

Nach Teilauszahlung des Darlehensbetrages und der Übernahme einer Bürgschaft in Höhe von 200.000,00 EUR durch die B-bank eG zu Gunsten des ausführenden Bauunternehmens unter Anrechnung auf den Darlehensvertrag konnte die Schuldnerin das Immobilienprojekt nicht erfolgreich zu Ende führen. Die B-bank eG forderte deshalb die Schuldnerin mit Schreiben vom 11.01.2008 auf, das bereits erworbene Grundstück zu veräußern und die Bürgschaft mit einer Grundschuld, einzutragen auf ein Privatgrundstück des Beklagten, zu unterlegen, da sie andernfalls ihre fälligen Forderungen gerichtlich geltend machen und den bestehenden Darlehensvertrag kündigen wolle. Dem kam die Schuldnerin nach und verkaufte das Grundstück. Den Kaufpreisanspruch trat die Schuldnerin mit Abtretungsvertrag vom 05.03.2009 sicherungshalber an die B-bank eG ab. Der Beklagte bestellte an seinem Privatgrundstück zwei Grundschulden zu insgesamt 500.000,00 EUR zu Gunsten der B-bank eG.

Mit Schreiben vom 08.06.2009 kündigte die B-bank eG gegenüber der Schuldnerin den Darlehensvertrag. Nachdem auf dem Darlehenskonto ein Betrag in Höhe von 250.000,00 EUR eingegangen war, forderte die B-bank eG die Schuldnerin mit Schreiben vom 19.06.2009 auf, einen Restbetrag in Höhe von 24.827,44 EUR zu zahlen. Bei der Berechnung dieses Betrages berücksichtigte die B-bank eG den zwischenzeitlich bei ihr eingegangenen Kaufpreis aus dem Verkauf des Grundstücks.

Zum Ausgleich der Forderungen der B-bank eG aus dem Darlehensvertrag zahlte der Beklagte insgesamt 274.928,80 EUR an die Bank.

Das Bauunternehmen nahm die B-bank eG aus der übernommenen Bürgschaft auf Zahlung in Höhe von 200.000,00 EUR in Anspruch. Der insoweit von der B-bank eG gegen den Beklagten verfolgte Rückgriff aus der von diesem übernommenen Bürgschaft scheiterte vor dem LG Wiesbaden in dem Rechtsstreit Az .../10.

Mit Beschluss des AG Wiesbaden vom 21.08.2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet.

In einem vor dem LG Wiesbaden (Az .../10) und dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 7 U 14/11) geführten Rechtsstreit nahm der Kläger den Beklagten erfolgreich auf Zahlung in Höhe von...

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