Leitsatz (amtlich)
1. Allein aus der besonderen medizinischen Zweckbestimmung eines als bilanzierte Diät angebotenen Erzeugnisses kann eine Arzneimitteleigenschaft nicht hergeleitet werden.
2. Eine zu medizinischen Therapiezwecken formulierte ergänzende bilanzierte Diät muss keine Makronährstoffe enthalten.
3. Die DiätV verlangt für eine bilanzierte Diät zwar den Nachweis, dass sie im Ergebnis wirksam ist, nicht aber die vollständige Erklärung des diätetischen Wirkungszusammenhangs.
4. Die Wirksamkeit einer bilanzierten Diät muss nicht allgemein anerkannt und unumstritten sein. Es reicht ein Nachweis durch Vorlage von nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Studien.
5. § 14b aAbs. 3 DiätV ist eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG.
Normenkette
DiätV § 1 Abs. 4a, § 14b Abs. 3; UWG §§ 3, 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.10.2004; Aktenzeichen 2-3 O 122/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21.10.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. teilweise abgeändert.
Die Beklagte bleibt, nachdem sie ihre Berufung insoweit zurückgenommen hat, zur Unterlassung der Werbeäußerung "Zur diätetischen Behandlung von Haarwachstumsstörungen und Haarausfall infolge von Erkrankungen ..." (Urteilstenor des LG zu Ziff. 2.6., zweiter Spiegelstrich) verurteilt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, dem u.a. eine Vielzahl von Unternehmen aus der Arzneimittelbranche angehören, wendet sich mit seiner Unterlassungsklage dagegen, dass die Beklagte das Mittel "P Kapseln" als (ergänzende) bilanzierte Diät in den Verkehr bringt und entsprechend bewirbt. Im Rahmen eines vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens hatte sich die Beklagte bereits strafbewehrt dazu verpflichtet, die beanstandeten Handlungen nicht mehr ohne den Hinweis bzw. Werbebezug "zur diätetischen Behandlung von androgenetisch bedingten (bzw. hormonell anlagebedingten) Haarwuchsstörungen und Haarausfall bei Frauen" vorzunehmen.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl 342 ff. d.A.) wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das LG hat unter Abweisung des weitergehenden Klageantrags die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Mittel "P Kapseln"
1. als "diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät)" mit dem Hinweis "zur diätetischen Behandlung von androgenetisch bedingten (bzw. hormonell anlagebedingten) Haarwuchsstörungen und Haarausfall bei Frauen" in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben;
2. zu bewerben:
2.3. "Wieder gesundes und kräftiges Haar",
2.4. "Wird Ihr Haar zunehmend dünner und kraftloser? Zeigt Ihr Haar Anzeichen
von Haarwachstumsstörungen oder Haarausfall? Helfen Sie Ihrem Haar von
Grund auf, an der Haarwurzel.
2.5. Nur eine gesunde Haarwurzel kann gesundes und kräftiges Haar produzieren. P versorgt die Haarwurzel von innen mit wichtigen Nährstoffen, wie z.B. Hirseextrakt und Weizenkeimöl. P verbessert das Haarwachstum und wirkt gegen Haarausfall.",
2.3. "Mit P können Sie die gestörte Funktionsfähigkeit der Haarwurzel wieder herstellen und aktiv zu gesundem Haarwachstum beitragen.",
2.4. "P für die gezielte Versorgung der Haarwurzel, zur diätetischen Behandlung von Haarwachstumsstörungen und Haarausfall.",
2.5. "Wieder gesundes Haar - von Grund auf",
2.6. "Zur diätetischen Behandlung von Haarwachstumsstörungen verschiedener Ausprägung, wie z.B. dünner werdendes Haar Haarwachstumsstörungen oder Haarausfall infolge von Erkrankungen", sofern die Aussagen 2.1.-2.6. mit Bezug auf die diätetische Behandlung von androgenetisch bedingten Haarwuchsstörungen und Haarausfall bei Frauen verwendet werden.
Zur Begründung hat das LG ausgeführt, der Klageantrag zu Ziff. 1. sei, soweit die Wiederholungsgefahr nicht teilweise durch die Unterwerfungserklärung der Beklagten entfallen sei, gem. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (bzw. § 1 UWG a.F.) i.V.m. § 14b Abs. 3 DiätV begründet, weil das Mittel "P" den gesetzlichen Anforderungen, die die Diätverordnung für bilanzierte Diäten festlege, nicht entspreche. Dabei könne offen bleiben, ob die einschlägigen Voraussetzungen der Diätverordnung (§ 1 Abs. 4a DiätV) schon deswegen nicht erfüllt seien, weil dem Mittel "P" Arzneimitteleigenschaft zukomme. Dahinstehen könne auch, ob "P Kapseln" diätetisch wirksam seien und ob ein etwaiger medizinisch bedingter Nährstoffbedarf nicht auch durch eine Modifizierung der normalen Ernährung, ggf. unter Einbeziehung von Nahrungsergänzungsmitteln, ...