Leitsatz (amtlich)
1. Die formularmäßige Ausdehnung der dinglichen Haftung des Versicherungsgebers auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten eines Dritten bei Bestellung einer Grundschuld aus Anlass einer bestimmten Kreditaufnahme ist in aller Regel überraschend i.S.d. § 3 AGBG, was auch dann gilt, wenn der Dritte der Ehegatte des Sicherungsgebers ist.
2. Überraschenden Charakter i.S.d. § 3 AGBG hat eine formularmäßige Zweckerklärung insbesondere dann, wenn sie von den - durch den Anlass der Sicherungsabrede begründeten - Erwartungen des Sicherungsgebers deutlich abweicht.
3. Solche Erwartungen können durch eine bestimmte Darlehensgewährung geprägt sein, wenn zwischen der Darlehensgewährung und der Grundschuldbestellung mit Zweckerklärung ein unmittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht.
Normenkette
AGBG § 3; BGB § 305c
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen 2 O 312/05) |
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung bedürfen, wird zunächst gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Es ist ferner korrigierend festzustellen, dass die Zweckerklärung vom 1.7.1996 (Bl. 50 f. d.A.) nach dem Vorbringen der Parteien nicht "offenbar im Zusammenhang" mit den bestehenden Darlehensverbindlichkeiten des Ehemanns der Beklagten stand, wie der Tatbestand des angefochtenen Urteils ausführt.
Das LG hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte sei zur Duldung der Zwangsvollstreckung in ihr Grundstück in O1 verpflichtet aufgrund der wirksamen, sie entsprechend bindenden Zweckerklärung vom 31.8.1997; ein Verstoß gegen das AGBG liege insoweit nicht vor. Gegen das ihr am 10.4.2006 zugestellte Urteil des LG hat die Beklagte am 2.5.2006 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 10.7.2006 innerhalb der bis zu diesem Datum verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Annahme einer wirksamen, die Darlehensverbindlichkeiten ihres Ehemannes ggü. der Klägerin (mit Ausnahme des bereits getilgten Baudarlehens über 80.000 DM vom August 1997) absichernden Zweckerklärung hinsichtlich der im Tenor des landgerichtlichen Urteils genannten Grundschuld auf ihrem dort bezeichneten Grundstück. Die Beklagte hält die Zweckerklärung(en) insoweit für unwirksam nach § 3 AGBG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 10.7.2006 (Bl. 108 f. d.A.), vom 26.9.2006 (Bl. 121 f. d.A.) und vom 19.10.2006 (Bl. 125 d.A.) verwiesen.
Die Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil des LG Frankfurt/M. vom 7.4.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des LG unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie geht von der Wirksamkeit zumindest der Zweckerklärung vom 31.8.1997 aus, die keine überraschende Klausel im Sinne des § 3 AGBG darstelle, nicht zuletzt auch angesichts der Entscheidung des BGH vom 6.2.1998 (BGH v. 6.2.1996 - XI ZR 121/95, WM 1996, 2233) zum zeitlichen Abstand zwischen zwei Zweckerklärungen.
Das LG sei zutreffend davon ausgegangen, dass es bei der Unterzeichnung dieser Zweckerklärung "allein um eine Darlehensgewährung an ihren Ehemann" gegangen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 14.9.2006 (Bl. 117-119 d.A.) und vom 26.2.2007 (Bl. 152 f. d.A.) verwiesen.
II. Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. Sie hat auch in der Sache selbst Erfolg.
Es liegt ein Berufungsgrund i.S.d. § 513 ZPO vor, denn die Entscheidung des LG beruht im Ergebnis auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO bzw. nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.
Zu Unrecht hat das LG der Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das im Tenor des landgerichtlichen Urteils bezeichnete Grundstück aus der dort genannten Grundschuld wegen der offenen Verbindlichkeiten ihres Ehemanns ggü. der Klägerin zuerkannt. Dieser Anspruch aus den §§ 1191, 1192 i.V.m. § 1147 BGB ist nicht gegeben, denn die von der Beklagten am 1.7.1996 (Bl. 50 f. d.A.) und am 31.8.1997 (Bl. 10 f. d.A.) unterzeichneten Zweckerklärungen sind insoweit unwirksam nach § 3 AGBG, der vorliegend noch Anwendung findet.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH (BGH v. 16.1.2001 - XI ZR 84/00, MDR 2001, 557 = BGHReport 2001, 226 = NJW 2001, 1416; BGH v. 24.10.2000 - XI ZR 273/99, BGHReport 2001, 23 = MDR 2001, 143 = WM 2000, 2423 (2425) m.w.N.) liegt eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den konkreten Umständen und Verhältnissen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner mit ihr nicht zu rechnen braucht (§ 3 AGBG, jetzt § 305c BGB) dann vor, wenn ihr ein Überrumpelungseffekt inne wohnt. Sie muss danach eine Regelung enthalten, die von...