Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Befristung des Unterhalts bei über 25jähriger Ehe und vier Kindern. Nachehelicher Unterhalt: Keine Befristung des Unterhalts bei über 25jähriger Ehe und vier Kindern
Leitsatz (redaktionell)
1. Arbeitet ein Unterhaltsberechtigter halbschichtig, kann dahingestellt bleiben, ob er gesundheitlich in der Lage wäre, vollschichtig tätig zu sein, wenn sich auch bei einem Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit immer noch ein Unterhaltsanspruch ergäbe, der den ausgeurteilten Betrag überschreitet.
2. Bei einer Ehedauer von 28 Jahren bis zur rechtskräftigen Scheidung kommt eine Befristung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn aus der Ehe vier Kinder hervorgegangen sind, der Unterhaltsberechtigte wegen der Betreuung der Kinder ca. 20 Jahre nicht berufstätig war und darüber hinaus zwischenzeitlich erheblich psychisch erkrankt ist.
Normenkette
BGB § 1578b
Verfahrensgang
AG Friedberg (Hessen) (Aktenzeichen 720 F 972/06) |
Gründe
... Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs kam auch nach § 1578b Abs. 2 BGB n.F. nicht in Betracht. Die Ehe hat bis zur Trennung der Parteien 25 Jahre, bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens mehr als 26 Jahre und bis zur rechtskräftigen Scheidung 28 Jahre gedauert. Aus der Beziehung der Parteien sind vier Kinder hervorgegangen. Die Antragsgegnerin war wegen der Betreuung der Kinder ca. 20 Jahre nicht berufstätig. Im Jahr 2005 war sie zudem erheblich psychisch erkrankt. Ob diese Erkrankung noch besteht, ist unklar. Unter diesen Umständen ist das Fortbestehen eines Aufstockungsunterhaltsanspruchs nicht als unbillig anzusehen. Vielmehr waren die Parteien so lange miteinander verheiratet und durch die Geburt von vier Kindern wurden ihre Lebensverhältnisse so nachhaltig miteinander verwoben, dass es umgekehrt als unzumutbar anzusehen wäre, wenn der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin, befristet würde. Diese Umstände führen auch zu der Schlussfolgerung, dass die Antragsgegnerin, die ihre Schulausbildung mit dem Abitur abgeschlossen und außerdem eine Sprachschule besucht hat, erhebliche ehebedingte Nachteile erlitten hat. Wäre sie in der Lage gewesen, ihre Arbeit als Sekretärin mit fundierten Fremdsprachenkenntnissen fortsetzen zu können, spricht die Lebenserfahrung dafür, dass sie ein Einkommen hätte erzielen können, was weit über dem Verdienst liegt, den sie jetzt noch als ungelernte Kraft mit mehr als zwanzigjähriger Berufsunterbrechung erwirtschaften kann.
Auch der Vorwurf des Antragstellers, die Antragsgegnerin kümmere sich nicht um die gemeinsamen Söhne der Parteien, kann keine Befristung bewirken. Dieser Vortrag ändert nichts an der Feststellung, dass die Antragsgegnerin so erhebliche ehebedingte Nachteile erlitten hat, dass die Fortdauer des Aufstockungsunterhaltsanspruchs gerade nicht unbillig ist. Im Übrigen hat sie dargelegt, dass die Kinder den Kontakt verweigern, obwohl sie mehrfach versucht habe, einen Umgang wiederherzustellen.
Der Antragsteller hat gleichfalls keine Umstände dargelegt, die zur ganzen oder teilweisen Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin führen. Er hat zwar behauptet, sie habe seit mehr als zwei Jahren eine Beziehung zu einem anderen Mann, mit dem sie ihre Freizeit verbringe. Die Antragsgegnerin hat auch das Bestehen einer Fernbeziehung zugestanden, aber weiter ausgeführt, dass sie mit diesem Mann nicht zusammenlebe und weder eine häusliche noch eine wirtschaftliche oder ähnliche Gemeinschaft bestehe. Allein das Bestehen einer Freundschaft zu einem anderen Mann nach der Trennung der Ehegatten stellt noch keine verfestigte Lebensgemeinschaft i.S.d. § 1579 Nr. 2 BGB und auch kein einseitiges Fehlverhalten i.S.d. § 1579 Nr. 7 BGB dar.
Fundstellen
Haufe-Index 2170342 |
OLGR-West 2009, 527 |