Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweispflicht auf gesundheitliche Störungen und Beschwerden im Antrag auf Abschluss einer Dread-Disease-Versicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Auf die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag sind nicht nur Krankheiten oder Beschwerden von erheblichem Gewicht anzugeben sondern auch solche Gesundheitsbeeinträchtigungen, die sich nicht bereits als Gesundheitsschaden oder Krankheit darstellen sondern als Störungen oder Beschwerden zu bezeichnen sind (hier: disseminierte Marklagenläsionen), eine Wertung wird dem Befragten nicht abverlangt.

 

Normenkette

VVG § 16

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 17.03.2005; Aktenzeichen 17 O 205/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 17.3.2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.

 

Gründe

Die Klägerin, bei welcher Prof. Dr. S im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes im Januar 2003 die Diagnose "Multiple Sklerose" stellte, macht ggü. der Beklagten Ansprüche aus einer sog. Dread Desease bzw. CIP-Versicherung geltend.

Bei Antragstellung am 11.5.2002 hatte die Klägerin die Frage Nr. 3, in welcher nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden u.a. des Gehirns, des Rückenmarks und der Nerven innerhalb der letzten 10 Jahre gefragt wird, ebenso wie die Frage Nr. 5 nach ärztlichen Beratungen, Untersuchungen in den letzten 5 Jahren bejaht. Verneint hatte die Klägerin hingegen die Frage Nr. 4 nach derzeit bestehenden Krankheiten, Beschwerden oder Gesundheitsstörungen. Unter der Rubrik "Zusätzliche Gesundheitsinformationen" - die auszufüllen ist, wenn eine der vorangehenden Gesundheitsfragen bejaht wird - gab die Klägerin an: Blinddarmdurchbruch 1997, Venen-stripping 2000, Kondylone 2002.

Unstreitig hatte die Klägerin 1989 unter einer ca. vierwöchigen Episode des Sehens von Doppelbildern gelitten. Zur Abklärung wurde eine magnetresonanztomografische Aufnahme (MRT) erstellt; weitere MRT-Kotrollen erfolgten 1990, 1993 und 1997.

Im Jahre 2000 hatte die Klägerin des weiteren einen Hörsturz erlitten.

Mit Schreiben vom 17.11.2003 teilte die Klägerin der Beklagten die seitens Prof. Dr. S. gestellte Diagnose mit und beantragte entsprechende Versicherungsleistungen. Die Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 28.1.2004 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag mit der Begründung, die Klägerin habe wesentliche Umstände, aus denen sich der Anfangsverdacht einer beginnenden Multiplen Sklerose ergebe, verschwiegen. Zugleich erklärte sie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin ggü. der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Versicherungssumme (210.000 EUR) geltend. Des Weiteren begehrt sie (hilfsweise) die Feststellung, dass sowohl der erklärte Rücktritt als auch die Anfechtung des Versicherungsvertrages unwirksam seien.

Durch Urteil vom 17.3.2005 hat das LG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe den Versicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Klägerin habe jeweils die ihr 1993 und 1997 genannte Diagnose einer Viruserkrankung ebenso wie den im Jahr 2000 erlittenen Hörsturz angeben müssen. Auch wenn es sich um eine leichte Viruserkrankung gehandelt habe sollte, sei diese anzugeben gewesen, da bereits Marklagerläsionen vorgelegen hätten. Dass die Klägerin arglistig gehandelt habe, zeige sich darin, dass sie weit zurückliegende und völlig ausgeheilte Krankheiten, nicht aber die neurologische Erkrankung angegeben habe.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

Sie hält daran fest, bei Antragstellung alle ihr bekannten Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß angegeben zu haben. Dies gelte insb. in Hinblick auf die Angabe ihres Hausarztes Dr. H., der über ihren Gesundheitszustand umfassend informiert gewesen sei und bei welchem die Beklagte - trotz ihrer gegenteiligen Behauptung, für sie habe gar kein Anlass zur Nachfrage bestanden - auch tatsächlich nachgefragt habe.

Des Weiteren verweist sie darauf, dass die vierwöchige Episode des Sehens von Doppelbildern außerhalb des erfragten Zeitraumes gelegen habe und ihr als Diagnose - ebenso wie bei den späteren Kontfolluntersuchungen - "Viruserkrankung" mitgeteilt worden sei. Auch Dr. V - sei in seinem Bericht vom 16.11.1989 davon ausgegangen, dass Kriterien eines entzündlichen disseminierten ZNS-Geschehens nicht vorlägen. Bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung habe die letzte Untersuchung bereits länger als fünf Jahre zurück gelegen. Soweit die Beklagte darauf abstelle, dass es sich um eine chronische Erkrankung handele, sei dies nicht nachvollziehbar angesichts dessen, dass im Abstand von mehreren Jahren lediglic...

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