Entscheidungsstichwort (Thema)

Notarrecht: Aufwendungsersatzanspruch nach § 19a II 4 BNotO

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 19a Abs. 2 Satz 4 BNotO stellt eine Anspruchsnorm zugunsten des vorleistenden Berufshaftpflichtversicherers dar. Anspruchsverpflichteter des Aufwendungsersatzanspruchs aus der Norm ist nicht die Notarkammer, sondern der Vertrauensschadensversicherer mit dem die Notarkammer, der der den Schaden verursachende Notar angehört, einen Vertrauensschadensvertrag i.S.v. § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO abgeschlossen hat.

2. Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 19a Abs. 2 Satz 4 BNotO ist dahin auszulegen, dass er im Umfang nur "soweit" besteht, wie der Vertrauensschadensversicherer aus dem mit der Notarkammer abgeschlossenen Vertrag auch tatsächlich verpflichtet ist, den durch eine wissentliche Pflichtverletzung des Notars verursachten Schaden zu tragen.

3. Eine zwischen der Vertrauensschadensversicherung und Notarkammern in Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarte Beschränkung des Versicherungsumfangs auf Schäden, die binnen vier Jahren nach der schadensursächlichen Handlung des Notars gemeldet werden, ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam.

 

Normenkette

BNotO § 19a Abs. 2 S. 4, § 67 Abs. 3 Nr. 3; BGB § 307 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.10.2007; Aktenzeichen 2-17 O 37/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.07.2011; Aktenzeichen IV ZR 180/10)

 

Tenor

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 89 944,92 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 4 % vom 31.10.2008 bis zum 10.11.2008 und i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2008 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die Versicherungsleistung gegen die Beklagte zu 2) aus der Vertrauensschadensversicherung wegen des Versicherungsfalls des Notars N gemäß dessen Haftpflicht aus dem Urteil des LG Frankfurt/M. vom 16.10.2007 (2-17 O 37/07) in der Fassung des Urteils des OLG Frankfurt vom 18.6.2008 (4 U 229/07) treuhänderisch für die Klägerin einzuziehen und an die Klägerin auszukehren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits sind von den Parteien wie folgt zu tragen: Die Beklagte zu 2) hat ½ der Gerichtskosten und ½ der Kosten der Klägerin sowie ihre eigenen Kosten zu tragen. Der Beklagten zu 1) obliegt die Tragung von 4/10 der Gerichtskosten und 4/10 der Kosten der Klägerin sowie 4/5 ihrer eigenen Kosten. Die Klägerin hat 1/10 der Gerichtskosten, 1/5 der Kosten der Beklagten zu 1) sowie 1/10 ihrer eigenen Kosten zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede der Parteien kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des gegen sie auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

 

Gründe

A. Die Klägerin, die als Berufhaftpflichtversicherin des Notars N nach dessen rechtskräftiger Verurteilung an die geschädigte ... (...) 89.944,92 EUR gezahlt hat, obwohl sie im Deckungsprozess des Notars wegen wissentlicher Pflichtverletzung obsiegt hat, verlangt von der Beklagten zu 1), der Notarkammer, der der Notar angehört, und der Beklagten zu 2), der Vertrauensschadensversicherin, Erstattung des gezahlten Betrages nebst Zinsen.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Dieser ist jedoch wie folgt zu ergänzen: In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen des zwischen der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) geschlossenen Vertrauensschadensversicherungsvertrages (im Folgenden: AVB) ist unter § 4 Nr. 2 vereinbart, dass für Schäden, die später als vier Jahre nach ihrer Verursachung durch den Notar dem Versicherer gemeldet werden, eine Versicherungsleistung ausgeschlossen ist. Wegen des näheren Inhalts der Versicherungsbedingungen wird auf Anlage B 3 (Bl. 86 - 90 d.A.) verwiesen.

Das LG hat die Klage, soweit sie gegen die Beklagte zu 2) gerichtet ist, abgewiesen. Im Verhältnis zur Beklagten zu 1) hat das LG der Klage ganz überwiegend stattgegeben; insoweit hat es lediglich den Zinsanspruch nicht in vollem Umfang als begründet erachtet.

Die Klageabweisung hinsichtlich der Beklagten zu 2) hat das LG damit begründet, dass es weder ihre Aufgabe sei, die Erfüllung gesetzlicher Pflichten zu überwachen, noch den Abschluss von Verträgen unter Hinweis darauf zu verweigern.

Gegen die Beklagte zu 1) bestehe kein Anspruch der Klägerin aus § 19a Abs. 2 S. 4 BNotO, weil diese Bestimmung keine Anspruchsnorm zu ihren Gunsten darstelle. Da es sich bei der Vertrauensschadensversicherung um eine Versicherung auf fremde Rechnung handele, sei die Beklagte zu 1) ggü. der Klägerin nicht unmittelbar verpflichtet. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) sei jedoch wegen Verstoßes gegen ihre Versicherungspflicht aus § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO begründet. Das Gesetz regle zwar nicht näher die Beschaffenheit der abzuschließenden Verträge. Aus den "Bruchstücken der gesetzlichen ...

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