Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung deutschen Rechts auf Vertrag zum Erwerb von Bäumen in Brasilien
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 03.11.2020; Aktenzeichen 4 O 317/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 03.11.2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg a. d. Lahn wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung von zwei Vertragsverhältnissen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Bäumen in Brasilien.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung der von der Klägerin investierten Beträge Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an den Bäumen verurteilt. Zur Begründung hat der Erstrichter im Wesentlichen ausgeführt, die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Limburg folge aus Artt. 16, 17 LugÜ II. Nach den genannten Vorschriften könne die Klage eines Verbrauchers gegen seinen Vertragspartner grundsätzlich vor dem Gericht desjenigen Ortes erhoben werden, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz habe. Bei der Klägerin handele es sich um eine Verbraucherin im Sinne der genannten Vorschriften. Sie habe die streitgegenständlichen Verträge nicht zu einem Zweck abgeschlossen, der ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden könne. Die Verträge dienten bei wertender Betrachtung der Kapitalanlage, ohne dass hierdurch eine unternehmerische Tätigkeit aufgenommen worden sei. Die Holzbewirtschaftung sei allein der Beklagten übertragen worden.
Das Landgericht hat weiter ausgeführt, auf die Vertragsverhältnisse sei materielles deutsches Recht anwendbar. Die Verträge beträfen auf Käuferseite die Klägerin als Verbraucherin und auf Verkäuferseite die Beklagte als Unternehmerin im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO. Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO sei nicht nach den Ausnahmevorschriften in Art. 6 Abs. 4 lit. a und lit. c Rom-I-VO ausgeschlossen. Auch die in Ziffer 24.1 des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrags vorgesehene Geltung schweizerischen Rechts führe nicht zur Abbedingung des nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO anzuwendenden deutschen Rechts. Die Anwendung schweizerischen materiellen Rechts hätte zur Folge, dass die Klägerin der Widerrufsrechte nach §§ 312 ff. BGB verlustig ginge. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO dürfe die Rechtswahl aber nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen werde, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt werde, die nach dem Recht, das ohne erfolgte Rechtwahl nach Absatz 1 anzuwenden wäre, zwingend wären. Bei den Vorschriften des BGB zum Widerrufsrecht handele es sich um derartige zwingende Bestimmungen. Nach Maßgabe des deutschen materiellen Rechts habe der Klägerin ein Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge gemäß §§ 355, 312b, 312d Abs. 1 Satz 1 BGB zugestanden. Dieses habe sie mit ihren entsprechenden Erklärungen in der Klageschrift wirksam ausgeübt. Der Widerruf sei nicht verfristet erklärt worden. Die Widerrufsfrist habe noch nicht zu laufen begonnen, weil die Klägerin nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sei (§§ 355 Abs. 3 Satz 1, 360 Abs. 1 BGB). Das Widerrufsrecht sei auch nicht erloschen. § 355 Abs. 4 Satz 1 BGB greife nicht ein, weil eine Belehrung der Klägerin in Textform nie erfolgt sei (§ 355 Abs. 4 Satz 3 BGB). Art. 229 § 32 Abs. 2 EGBGB sei ebenfalls nicht einschlägig. Die genannte Vorschrift sei auf Verträge über Finanzdienstleistungen nicht anwendbar. Um solche handele es sich indes bei den streitgegenständlichen Verträgen. Nach der heranzuziehenden Definition des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB seien als Finanzdienstleistungen u.a. "Dienstleistungen im Zusammenhang mit ... einer Geldanlage" zu sehen. Der vereinbarte Kauf von Bäumen auf brasilianischen Plantagen stelle sich als eine derartige Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Geldanlage dar. Denn zum einen habe die Beklagte selbst den Baumerwerb als Investitionsmöglichkeit für Privatanleger beworben und die Investitionsdauer mit fünf bis 20 Jahren angegeben. Zum anderen ähnele das streitgegenständliche Konzept des "Baumkaufs mit Servicevertrag" bei wirtschaftlicher Betrachtung eher der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds als dem Kauf eines individuell gehaltenen Vermögensgegenstands. Mangels eines Marktes zum Weiterverkauf seien die Bäume dem Wirtschaftsverkehr entzogen, und der Käufer sei - auch...