Leitsatz (amtlich)

1. Eine bewusste Verzögerung oder Nichtausführung der Umstellung gem. einem Preselectionsauftrag im Telekommunikationsbereich kann eine gezielte Behinderung des Konkurrenten der Deutschen Telekom darstellen.

2. Einer versehentlichen Versäumung der Umstellung fehlt es an dem für einen Wettbewerbsverstoß erforderlichen Merkmal der Wettbewerbshandlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.07.2002; Aktenzeichen 3-11 O 13/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 29.03.2007; Aktenzeichen I ZR 164/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.7.2002 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Mitgliedern ihres Vorstandes, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. die Änderung der dauerhaften Voreinstellung des Anschlusses von Kunden auf das Verbindungsnetz der Klägerin (Pre-Selection) bewusst nicht zu dem von der Beklagten der Klägerin ausdrücklich und/oder durch Positivbescheid im Sinne der Spezifikation VNB-Wechsel und/oder dem jeweiligen Kunden ausdrücklich mitgeteilten Zeitpunkt auszuführen, wenn ein entsprechender Pre-Selection-Vertrag zwischen dem jeweiligen Kunden und der Klägerin besteht,

und/oder

2. an Kunden ein Auftragsbestätigungsschreiben für ein Produkt der Beklagten zu verschicken, wenn der jeweilige Kunde zuvor keine Willenserklärung abgegeben hat, die auf den Abschluss eines Vertrages mit der Beklagten über das Produkt, auf das sich das Auftragsbestätigungsschreiben bezieht, gerichtet gewesen ist, wenn durch den bestätigten Tarif ein Wechsel des betroffenen Kunden von der Beklagten zu der Klägerin nicht mehr oder nur zeitlich verzögert möglich ist,

und/oder

3. gegenüber der Klägerin wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, eine Ausführung der Änderung der Voreinstellung eines Kunden zugunsten der Klägerin sei aufgrund eines bestehenden Hindernisses, beispielsweise wegen eines "Stornos" des Kunden, nicht möglich, und/oder unter Berufung auf derartige Hindernisse die Änderung der dauerhaften Voreinstellung des Anschlusses von Kunden auf das Verbindungsnetz der Klägerin (Pre-Selection) nicht auszuführen, wenn der Kunde zuvor nicht den entsprechenden Pre-Selection-Auftrag widerrufen und/oder eine andere Willenserklärung abgegeben hat und/oder keine wirksame vertragliche Bindung des Kunden zur Beklagten besteht, die eine Änderung der Voreinstellung ausschließt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 150.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Die Beschwer beider Parteien beträgt 150.000 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, in zahlreichen Fällen die von Telefonnutzern gewünschte Änderung der dauerhaften Voreinstellung (Pre-Selection) zu Gunsten der Klägerin ohne ausreichenden Grund abgelehnt bzw. die bereits bestätigte Umstellung nicht ausgeführt zu haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO); zu ergänzen ist folgendes:

Die Beklagte als Teilnehmernetzbetreiberin und verschiedene Verbindungsnetzbetreiber - darunter die Klägerin - haben sich hinsichtlich des im Zusammenhang mit der Änderung der dauerhaften Voreinstellung (Pre-Selection) zu beachtenden Verfahrens auf eine "Spezifikation VNB-Wechsel 2.5" (Anlage K 4 zur Klageschrift, Bl. 28 ff. d.A.) verständigt. Danach gibt der Telefonnutzer seine Erklärung, die Voreinstellung zu einem bestimmten Zeitpunkt ändern zu wollen, ggü. dem neuen Verbindungsnetzbetreiber ab, der sie an die Beklagte weiterleitet. Die Beklagte kann der Umstellung innerhalb von zwei Tagen widersprechen (sog. "Negativbescheid"). Reagiert die Beklagte innerhalb von zwei Tagen auf die Mitteilung nicht, gilt der Wechsel zum genannten Zeitpunkt als bestätigt (sog. "Positivbescheid"). Der "Spezifikation VNB-Wechsel" ist als Anlage 1 ein vom Verbindungsnetzbetreiber zu benutzendes Fax-Formular mit Rückantwort durch die Beklagte beigefügt (Bl. 47 d.A.).

Im Fall "X" hat die Beklagte der Klägerin die Änderung der Voreinstellung zum 3.7.2001 schriftlich bestätigt (Bl. 50 d.A.).

Die Klägerin hat ihre Ansprüche unter Hinweis auf das nahezu vollständige Monopol der Beklagten im Bereich der Festnetzanschlüsse auch auf §§ 19, 20 GWB gestützt.

Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte trägt zum Fall "X" ergänzend vor, dass die Umstellung zum Termin 3.7.2001 nicht habe vorgenommen werden können, weil der be...

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