Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbenutzungsrecht für eine als an sich unzulässige gesundheitsbezogene Angabe aufzufassende Lebensmittelmarke
Leitsatz (amtlich)
Das Recht nach Art. 28 II HCVO, Lebensmittel unter einer Marke, die an sich als unzulässige gesundheitsbezogene Angabe aufzufassen ist (im Streitfall: "Praebiotik + Probiotik"), bis zum 19.1.2022 weiterhin in den Verkehr zu bringen, setzt voraus, dass diese Marke vor dem 1.1.2005 für ein Lebensmittel benutzt worden ist, das dem heute vertriebenen Produkt im Wesentlichen entspricht. Daran fehlt es jedenfalls, wenn beide Produkte einen unterschiedlichen Bestimmungszweck haben (im Streitfall: Nahrungsergänzungsmittel für Erwachsene einerseits und Babynahrung andererseits).
Normenkette
EGV 1924/2006 Art. 28 Abs. 2; MarkenG § 25 Abs. 2, § 26 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.03.2011; Aktenzeichen 2-6 O 568/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.3.2011 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt a.M. wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Revisionsverfahrens I ZR 178/12 hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Parteien vertreiben Babynahrung. Die Beklagte bot unter der Bezeichnung "Praebiotik® + Probiotik®" in Deutschland Babynahrung an, die als präbiotische Komponente Calactooligosaccharide und als probiotische Komponente das Bakterium Lactobacillus fermentum hereditum enthielt. Auf der Verpackung verwendete die Beklagte neben der genannten Bezeichnung die Angaben "mit natürlichen Milchsäurekulturen" und "Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora".
Nach Ansicht der Klägerin handelt es sich bei der Bezeichnung und den weiteren Aussagen um unzulässige gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (im Folgenden: HCVO).
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen Babynahrung
1. unter der Bezeichnung
Praebiotik® + Probiotik®
und/oder
2. mit der Angabe
Praebiotik® + Probiotik®
Mit natürlichen Milchsäurekulturen
Praebiotik® zur Unterstützung einer gesunden Darmflora
wie in Anlage A zur Klageschrift
zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.
Die Klägerin hat die Beklagte ferner auf Auskunft in Anspruch genommen und Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG vom 23.3.2011 sowie im ersten Berufungsurteil des Senats vom 9.8.2012 Bezug genommen (§ 540 I 1 ZPO).
Das LG hat die Beklagte zur Unterlassung gemäß dem Antrag zu 1 verurteilt (Tenor Ziff. I.) und die darauf bezogenen Folgeanträge auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht zugesprochen (Tenor Ziff. II. und III.). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen (Senat, GRUR-RR 2012, 484).
Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil und das landgerichtliche Urteil, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden wurde, aufgehoben und die Beklagte gemäß dem Antrag zu 2 verurteilt sowie die darauf bezogenen Folgeanträge auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht zugesprochen. Im Übrigen (Antrag zu 1 und die darauf bezogenen Folgeanträge) hat es die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den Senat zurückverwiesen (BGH, Urt. v. 26.2.2014 - I ZR 178/12, GRUR 2014, 500 - Praebiotik).
Im neu eröffneten Berufungsrechtszug ergänzt die Beklagte ihren Vortrag. Die Marken Praebiotik und Probiotik seien schon vor dem nach der Übergangsvorschrift des Art. 28 II HCVO maßgeblichen Stichtag des 1.1.2005 zur Kennzeichnung von Nahrungsergänzungsmitteln benutzt worden. Die Firma X GmbH habe die Produkte "Praebiotik A", "Probiotik B", Probiotik D", "Praebiotik E" und "Probiotik B + Praebiotik F" vertrieben (vgl. Anlagen TW 13 - TW20). Zunächst habe eine Nutzungsvereinbarung mit der damaligen Markeninhaberin bestanden. Im Jahr 2006 habe die Firma X GmbH die Marken erworben. Insgesamt seien im Zeitraum September 2001 bis Dezember 2004 knapp 84.000 Packungen der genannten Produkte vertrieben worden (Anlage TW22). Die Marken seien insoweit markenmäßig benutzt worden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Frankfurt vom 23.3.2011 - 2-06 O 568/10 hinsichtlich der Ziffern I., II., und III. aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird a...