Entscheidungsstichwort (Thema)

Im Zweifel ist bei einer ungesicherten Vorleistung von der Belehrungsbedürftigkeit der Beteiligten auszugehen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage einer Amtspflichtverletzung wegen unterlassener Belehrung des Notars hinsichtlich einer ungesicherten Vorleistung einer Vertragspartei kommt es nicht darauf an, ob ein bei der Beurkundung als Bevollmächtigter der anwesenden Vertragspartei aufgetretener Dritter ausreichend über die Risiken belehrt war. Entscheidend ist vielmehr, ob die anwesende unmittelbar urkundsbeteiligte Vertragspartei entweder durch den Notar selbst ausreichend über den Inhalt des Vertrages und die ihm innewohnenden Risiken belehrt war, oder ob der Notar wenigstens davon ausgehen durfte, dass die Vertragspartei jedenfalls durch den Dritten ausreichend informiert war.

2. Insoweit ist eine Aufklärung des Vertragsbeteiligten durch den Notar nicht schon dann entbehrlich, wenn der Notar weiß, dass der Urkundsbeteiligte anwaltlichen oder anderweitig notariellen Rat in derselben Angelegenheit erhalten hat. Er muss sich vielmehr selbst im Sinne einer eigenen Überzeugungsbildung vergewissern, dass dieser Anwalt oder ggf. ein anderer Notar die Belehrung erteilt hat und der Urkundsbeteiligte diese Belehrung auch verstanden hat.

 

Normenkette

BeurkG § 17 Abs. 1; BNotO § 19

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.06.2011)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Frankfurt/M. - 17. Zivilkammer - vom 7.6.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung i.H.v. 105 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns, des Zeugen Z1, Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung des beklagten Notars im Zuge der Beurkundung eines Kaufvertrages.

Der Beklagte beurkundete am ... 8.2005 einen Kaufvertrag, im Rahmen dessen der Zeuge Z1 eine Eigentumswohnung an die zwischenzeitlich insolvente A. gesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: A KG) zu einem Kaufpreis von 250.000 EUR verkaufte (Bd. I Bl. 7 ff.). Zu diesem Zeitpunkt war die Wohnung in Abt. III lfd. Nr. 1 mit einer Grundschuld zugunsten der Bank1 i.H.v. 600.000 DM belastet, von der ein Teilbetrag von 200.000 DM an die Bank2 abgetreten war.

Hinsichtlich der Kaufpreiszahlung durch die A KG wurde vereinbart, dass i.H.v. 82.000 EUR eine Verrechnung mit entsprechenden Verbindlichkeiten des Verkäufers, des Zeugen Z1, bei der Käuferin erfolgen sollte; darüber hinaus sollte die Käuferin die Rückzahlung der Höhe nach nicht näher bezeichneter Darlehensverbindlichkeiten des Verkäufers ab dem 1.1.2006 übernehmen. Die Parteien vereinbarten weiter, dass "der restliche Kaufpreis von 48.000 EUR" gestundet und mit monatlich 1.000 EUR beginnend ab Juli 2006 gezahlt werden sollte. In § 7 des Kaufvertrages wurde die Auflassung erklärt. Sicherungsrechte zugunsten des Verkäufers enthielt der Vertrag nicht. Am 27.12.2005 wurde das Eigentum an der Wohnung auf die A KG umgeschrieben.

Nachdem die A KG entgegen der vertraglichen Regelung über die Modalitäten der Kaufpreiszahlung weder Rückzahlungen auf die Darlehensschuld des Verkäufers noch die vereinbarte Ratenzahlung auf den Restkaufpreis geleistet hatte, trat der Zeuge Z1 sämtliche ihm gegen die A KG und den Beklagten zustehenden Ansprüche an die Klägerin durch notarielle Urkunde vom ... 7.2007 ab.

Die Klägerin erstritt sodann nach Rücktritt vom Kaufvertrag durch rechtskräftiges Urteil des LG Frankfurt/M. vom 22.2.2008 (2-10 O 400/07) die Rückauflassung des Wohnungseigentums. Mittlerweile hatte sich herausgestellt, dass die Kaufvertragsparteien seinerzeit bei Abschluss des Kaufvertrages außerhalb der notariellen Urkunde durch privatschriftliche Vereinbarung vom gleichen Tag vereinbart hatten, dass die Pflicht zur Abzahlung der beiden Darlehen nur im Innenverhältnis zwischen dem Verkäufer Z1 und der Käuferin übernommen werden sollte und die Käuferin A KG darüber hinaus die jeweils fälligen Tilgungs- und Zinsraten der beiden Darlehen ab dem 1.1.2006 monatlich nicht an die Darlehensgläubiger, sondern jeweils an den Verkäufer zahlen sollte. Das LG hat im Urteil vom 22.2.2008 diese Vereinbarung als formnichtig und die entsprechend der formnichtigen Vereinbarung geleisteten Zahlungen nicht als Erfüllung der Kaufpreiszahlungsverpflichtung angesehen und der Klägerin daher das Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag zugebilligt (Urteil vom 20.2.2008, Bd. I Bl. 21-29).

Die A KG erfüllte in der Folgezeit ihre Verpflichtung zur Rückübertragung der im Zeitpunkt der Auflassung auf dem Grundstück lastenden nicht valutierenden Grundschuld nicht, da sie diese zwischenzeitlich zur Si...

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