Leitsatz (amtlich)

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 S. 2 HGB gilt nur für Schadensersatzansprüche und gesetzliche Ansprüche ähnlichen Inhalts, nicht für primäre vertragliche Erfüllungsansprüche und vertragliche Aufwendungsersatzansprüche.

 

Normenkette

HGB §§ 439, 463

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 14.12.2004; Aktenzeichen 14 O 744/03)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt vom 14.12.2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

1. Die in Brasilien ansässige A lieferte regelmäßig Waren an die in Deutschland ansässige Firma B GmbH. Mit der Abwicklung der Transporte betraute sie seit 1997/1998 die Firma C. Die C übertrug durch "Vertrag zur Unternehmensänderung" vom 1.9.2001 einen regional umschriebenen Teil ihrer Geschäfte auf die Klägerin des vorliegenden Verfahrens; seit dem wickelte die Beklagte die Transporte der A an ihr deutsches Partnerunternehmen im Auftrage der Klägerin, im Übrigen in gleicher Weise wie zuvor ab.

Wie zuvor aufgrund der zwischen der Firma C, der Firma A, der Firma B und der Beklagten getroffenen Vereinbarungen legte nach dem Eintritt der Klägerin in die Geschäftsbeziehungen jetzt regelmäßig die Klägerin die Lufttransportkosten vor, stellte sie der Beklagten unter Abzug einer Provision in Rechnung, und die Beklagte trat ihrerseits regelmäßig für die Firma B in Vorlage.

Im März 2002 beendete die Klägerin die Geschäftsbeziehung zur Beklagten; seinerzeit standen Rechnungen aus der Vorlage von Frachtkosten - im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten - i.H.v. 13.574,08 US-$ offen. Die Parteien führten Telefongespräche über die Möglichkeit einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehung; die Beklagte sandte der Klägerin eine E-Mail, in der sie den Ausgleich der offenen Rechnungen für den Fall einer Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung in Aussicht stellte. Die Klägerin entschloss sich allerdings nicht dazu, der Beklagten weitere Aufträge zu erteilen, und die Beklagte glich die Rechnungen nicht aus.

Mit der im November 2003 eingereichten und zugestellten Klage beansprucht die Klägerin Ausgleich der zur Gesamthöhe von 13.574,08 US-$ in Rechnung gestellten Frachtkosten. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Hieran anknüpfend hat das LG die Klage abgewiesen. Wegen der von ihm gefundenen Gründe sowie der getroffenen tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen wird auf das Urt. v. 14.12.2004 verwiesen.

Mit der Berufung trägt die Klägerin vor, abweichend von der Annahme des LG, die geltend gemachten Forderungen unterlägen der einjährigen Verjährung nach §§ 463, 439 Abs. 1 S. 1 HGB, sei eine Verjährungsfrist von drei Jahren nach §§ 462,439 Abs. 1 S. 2 HGB zugrunde zulegen. Denn die Beklagte habe die an sich unstreitigen Forderungen der Klägerin vorsätzlich nicht erfüllt.

Die Klägerin beantragt, in Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 13.574,08 US-$ nebst 8 % Zinsen über dem Basiszins seit 4.4.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Klägerin habe die Beklagte durch unklare Zahlungsaufforderungen zugunsten eines dritten Unternehmens in die Gefahr einer "Doppelzahlung" gebracht. Der Begriff des Vorsatzes verweise auf Schadensersatzansprüche, nicht auf solche Ansprüche, die auf die Nichterfüllung von Primärleistungspflichten gerichtet seien.

Wegen des zweitinstanzlichen Sachvortrages im Einzelnen wird auf die vor dem Senat gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

2. Die Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

a) Zwar sind diese Zahlungsansprüche - wie zwischen den Parteien unumstritten ist - zugunsten der Klägerin exakt so entstanden, wie sie sie der Beklagten in Rechnung gestellt hat und im Rechtsstreit verfolgt.

b) Diese Zahlungsansprüche sind aber - gleichviel, ob sie ihre Rechtsgrundlage in § 453 Abs. 2 HGB (Vergütungsanspruch) oder in § 670 BGB (Aufwendungsersatzanspruch) finden - verjährt; nachdem die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat, kann sie zur Zahlung nicht mehr verurteilt werden.

c) Für die konkrete Rechtsbeziehung der Parteien maßgeblich ist die regelmäßige Verjährungsfrist der §§ 463, 439 Abs. 1 S. 1 HGB; sie beträgt ein Jahr. Diese Einjahresfrist ist - wie es in der "Zeitrechnung" zwischen den Parteien außer Streit steht - nach Ablieferung der Versendungsgüter zwischen November 2001 und März 2002 (§ 439 Abs. 2 HGB) einerseits, Einreichung und Zustellung der Klage im November 2003 andererseits abgelaufen.

d) Der Auffassung der Klägerin, im Streitfalle gelte anstelle der regelmäßigen Verjährungsfrist die besondere Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 439 Abs. 1 S. 2 HGB, folgt der Senat nicht. Schon der Wortlaut des Gesetzes spricht stark dagegen, den Begriff des Vorsatzes - bzw. eines dem Vorsatz nach § 435 HGB gleichstehenden Verschuldens - auf primäre Erfüllungs- oder Aufwendungsersatzansprüche anzuwe...

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