Entscheidungsstichwort (Thema)
Anlegergerechte Beratung bei Abschluss einer Kapitallebensversicherung (unzutreffend positives Bild über Renditeerwartung)
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 05.05.2011; Aktenzeichen 17 O 328/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 5.5.2011 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und neu gefasst.
1. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 22.366,43 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.3.2014 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte der Klägerin aus dem bei der Beklagten geführten Kapitallebensversicherungsvertrag 1.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der unter Ziff. 1 bezeichneten Gegenleistung in Verzug befindet.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 23 % und die Beklagte 77 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung eine Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte ist ein englisches Versicherungsunternehmen, das Lebensversicherungen anbietet. Der Versicherungsnehmer zahlt bei den A-Policen der Beklagten einen Einmalbeitrag bzw. regelmäßige Beitrage bei der Beklagten ein. Die Einzahlungen fließen in einen "Pool mit garantiertem Wertzuwachs". Dafür werden dem Versicherungsnehmer Anteile an diesem Pool zugewiesen. Die Beklagte setzt jährlich eine Dividende fest, die den Wert und damit den Rücknahmepreis der Anteile erhöht. Sie garantiert keine Mindestdividende, sondern nur, dass am Ende der Vertragslaufzeit der Wert der Anteile höher ist als am Anfang und dass tatsächlich vorgenommene Erhöhungen nicht mehr zurückgenommen werden. Darüber hinaus kann der Versicherungsnehmer Gewinn- beziehungsweise Überschussbeteiligungen in Form des sog. Fälligkeitsbonus erhalten, der insbesondere der Ablaufleistung und bestimmten Auszahlungen zugeschlagen wird.
Die 1969 geborene Klägerin schloss mit der Beklagten im September 2002 zwei Kapitallebensversicherungen ab. Versicherungsbeginn war jeweils der 12.9.2002. Als Ablaufdatum ist der 12.9.2064 vorgesehen.
Für die A1-Police (2) war die Zahlung eines Einmalbetrages von 23.000 EUR vereinbart. Beginnend im September 2003 und endend im September 2026 sollten jährliche Auszahlungen von 2.000 EUR erfolgen, bei einer angenommenen Wertentwicklung von jeweils 8,5 % p. a.. Die Anteile sind dem B-Pool Serie ... zugeordnet. Den Einmalbetrag für die A1-Police finanzierte die Klägerin durch Aufnahme eines Darlehens i.H.v. 20.000 EUR bei der Bank1. Darüber hinaus war von ihr ein Eigenkapitalanteil von 5.600 EUR aufzubringen. Das Darlehen sollte durch die Rückgabe der Fondsanteile eines zeitgleich abgeschlossenen separaten Investmentfonds (als Tilgungskomponente) bei Endfälligkeit zurückgeführt werden. Den Investmentfond hatte die Klägerin an die Bank1 verpfändet. Die Darlehenszinsen und die Beiträge für den Fondssparplan sollte die Klägerin selbst erbringen.
In die A2-Police (Nr. 1) sind über die Dauer von 25 Jahren ab Vertragsbeginn jährlich 2.000 EUR einzuzahlen. Seine Anteile sind dem B-Pool (Serie ...) zugeordnet.
Die Verträge sind Bausteine des als B-... Plan bezeichneten Anlagemodells, mit dem den Anlegern eine bankfinanzierte Rente verschafft werden soll. Bei dem B-... Plan sollten die Anleger den darlehensweise aufgenommen Betrag in die mit dem Einmalbetrag finanzierte Kapitallebensversicherung mit regelmäßiger jährlicher Auszahlung investieren, die in eine zweite Kapitallebensversicherung als regelmäßige jährliche Beitragszahlung reinvestiert werden sollten, mit Ausnahme des Beitrages für das erste Jahr, wo der Betrag von 2000 EUR aus Eigenmitteln zu erbringen war. Aus dieser zweiten Kapitallebensversicherung sollte der Anleger nach einer Beitragszahldauer von 25 Jahren monatliche Auszahlungen (hier 1.000 EUR) erhalten.
Das Anlagemodell und seine Finanzierung waren der Klägerin von C, Geschäftsführer der D GmbH, vermittelt worden. Der genannte Finanzmakler war im Verhältnis zur Beklagten Untervermittler des Versicherungsvertrages, Hauptvermittler waren von der Beklagten als "Masterdistributoren" bezeichnete Finanzvermittler, denen die Beklagte, die in Deutschland keine Agenturen unterhält, den Vertrieb ihrer Versicherungsprodukte überlassen und mit denen sie Courtagevereinbarungen geschlossen hatte. Der Vermittler C hatte der Klägerin am 5.7.2002 ein Berechnungsbeispiel (K1), einen Tilgungsplan der Bank1 (K2) und eine Informationsschrift der Beklagten (K3) übergeben. Das Berechnungsbeispiel baute auf einer Wertentwicklung von 8,5 bis 9,5 % p. a. auf und wies ein nach 25 Jahren verbleibendes ...