Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 06.05.2019; Aktenzeichen 9 O 319/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.07.2021; Aktenzeichen VII ZR 113/20)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 6.5.2019 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus beiden Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beklagte erstellte im Auftrag der Klägerin einen Autobahnabschnitt, u. a. einen Tunnel. Im Zuge der Bauausführung kam es zu umfangreichen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über Nachtragsforderungen, die die Beklagte in ihre Abschlagsrechnungen einstellte. Nachdem die Klägerin die Abschlagsrechnungen insoweit nicht ausgeglichen hatte, berechnete die Beklagte hierfür auch Verzugszinsen und lehnte es vorprozessual ab, hierzu eine Verzichtserklärung abzugeben. Die Klägerin begehrt nun eine negative Feststellung hinsichtlich dieser Zinsforderungen.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der Anträge nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, es fehle an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis. Die Frage des Schuldnerverzuges sei nicht gesondert feststellbar; eben darauf sei die Klage letztlich gerichtet.

Dagegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie rügt, das Landgericht habe das Klagebegehren falsch ausgelegt. Es gehe ihr nicht um die Vorfrage "Verzug", sondern um die Rechtsfolge "Zahlungsansprüche" (aus Verzug), was ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis sei. Schließlich könne die Beklagte ja auch Zinsforderungen isoliert einklagen, was zur Vermeidung der Verjährung mit der zugehörigen Abschlagsrechnung auch erforderlich sein könne und - unstreitig - von ihr wiederholt so praktiziert worden sei; umgekehrt müsse die Klägerin als vermeintliche Schuldnerin auch diesbezüglich eine Klärung herbeiführen können. Ein Feststellungsinteresse liege vor, wenn die Rechtsposition des Klägers dadurch gefährdet ist, dass eine rechtliche Unsicherheit in Bezug auf das festzustellende Rechtsverhältnis besteht und das begehrte Urteil diese Unsicherheit beseitigen kann. Bei einer negativen Feststellungsklage liegt die Gefährdung im gegnerischen Berühmen, das Interesse könne sich auch auf die fehlende Fälligkeit beziehen. Sie habe als öffentlicher, zur Sparsamkeit verpflichteter Auftraggeber ein naheliegendes, berechtigtes Interesse daran, möglichst frühzeitig zu wissen, ob sie zur Zahlung verpflichtet ist.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils festzustellen, dass der Beklagten keine Zahlungsansprüche gegen die Klägerin aus und im Zusammenhang mit der 6. Zinsrechnung der Beklagten vom 05.04.2017 (Rechnungsnummer: ...) zustehen, soweit diese nicht bereits Gegenstand des Klageverfahrens beim Landgericht Wiesbaden (9 O 36/18) sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise

die Sache an das Landgericht Wiesbaden zurückzuverweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

B. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen.

I. Die Berufung rügt allerdings zu Recht, dass die Klägerin eben nicht (nur) abstrakt festgestellt haben will, mit dem Ausgleich der streitigen Abschlagsforderungen nicht in Verzug zu sein. Vielmehr richtet sich ihr negatives Feststellungsbegehren auf die von der Beklagten in der Aufstellung K1 zusammengefassten vermeintlichen Ansprüche auf Ersatz von Verzugszinsen wegen der Nichterfüllung von Abschlagsforderungen. Derartige Ansprüche stellen ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i. S. d. § 256 ZPO dar.

II. Die Unzulässigkeit der Klage ergibt sich indessen aus dem Fehlen eines berechtigten Interesses an einer alsbaldigen Feststellung.

1. Die zum einen vorausgesetzte gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit kann sich bei der negativen Feststellungsklage daraus ergeben, dass sich der beklagte Gläubiger eines Anspruchs berühmt. Insofern werden keine strengen Anforderungen gestellt. Es reicht aus, dass der Gläubiger die Ansicht vertritt, ihm stehe ein Anspruch unter gewissen Voraussetzungen, die nicht aktuell vorliegen müssen, zu; er muss den Anspruch nicht konkret geltend machen, Klage androhen oder dergleichen (vgl. etwa BGH NJW 2008, 2499; 2016, 66, Tz. 15). Die Beklagte hat sich dadurch, dass sie der Klägerin die streitgegenständliche Aufstellung zu angefallenen Verzugszinsen übermittelt und zu einer entsprechenden Zahlung unter Fristsetzung au...

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