Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführende Werbung mit Unternehmensgeschichte nach Unternehmensaufspaltung
Leitsatz (amtlich)
Die Werbung mit einer jahrzehntelangen Unternehmensgeschichte kann irreführend sein, wenn es im Laufe dieser Geschichte zu einer Aufspaltung zwischen dem werbenden Unternehmen und einem gleichnamigen anderen Unternehmen gekommen ist und - ohne dass der Umstand der Aufspaltung für den Werbeadressaten hinreichend erkennbar ist - in der Werbung Leistungen aus der Zeit vor der Aufspaltung als Bestandteil der Unternehmensgeschichte dargestellt werden.
Normenkette
UWG § 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.07.2014; Aktenzeichen 2-6 O 253/13) |
BGH (Aktenzeichen I ZR 254/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.7.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main teilweise abgeändert.
1. Die Beklagte wird weiter verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
1.1. im geschäftlichen Verkehr mit dem Ingenieurbüro von A1 (gegründet im Jahr 1958) zu werben, soweit dies in Anlage K 3 und dort wie folgt geschieht:
"1958 Geburtsjahr der A-Gruppe. In O1 gründet A1 sein erstes Ingenieur-Unternehmen."
1.2 im geschäftlichen Verkehr unter der Bezeichnung "A Gruppe" zu werben, soweit dies wie in Anlage K 3 und dort wie folgt geschieht:
"1958 Geburtsjahr der A-Gruppe. In O1 gründet A1 sein erstes Ingenieur-Unternehmen."
und/oder soweit dies geschieht wie in Anlage K 7.
1.3 im geschäftlichen Verkehr mit dem Projekt "X" in O2 und/oder der B-Versorgung für die nigerianische Stadt O3 zu werben, soweit dies wie in Anlage K 3 und dort wie folgt geschieht:
"1972 Start des Projekts "X" in 02. (...)"
"1978 A1 und seine Mitarbeiter planen die B-Versorgung für Nigerias ... Stadt O3. (...)"
1.6 im geschäftlichen Verkehr mit Leistungen auf dem Gebiet der Signaltechnik zu werben, soweit dies geschieht wie Anlage K6.
2. Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. 1. aufgeführten Darstellungen sowie durch die Behauptungen
die A Gruppe sei bei Projekten in über 90 Staaten beteiligt, soweit dies wie in Anlage K7 und dort wie folgt geschieht:
"Seit der Gründung war der Unternehmer mit seiner A Gruppe an Projekten in über 90 Staaten beteiligt."
- die A Gruppe der Berufungsbeklagten sei mit über 800 Mitarbeitern auf vier Kontinenten permanent vertreten, soweit dies geschieht wie in Anlage K7 entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird.
3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von EUR 920,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.12.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über angeblich irreführende Angaben auf den Internetseiten der Beklagten.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Ingenieurdienstleistungen und befassen sich - im weitesten Sinne - mit der Planung von Infrastrukturprojekten. Die Unternehmen beider Parteien wurden von A1 (mit-)gegründet.
A1 eröffnete im Jahr 1958 ein Ingenieurbüro. Im Jahr 1966 gründete er die Klägerin. Im Jahr 1977 übertrug er Anteile an der Klägerin an seine vier Söhne A2, A3, A4 und A5 als weitere Kommanditisten (Anlage BK6). Im Jahr 2003 schied A3, im Jahr 2007 A1 als Kommanditisten der Klägerin aus. Im Jahr 1988 gründete A1 gemeinsam mit A2 die Beklagte. A2 schied 2007 als Kommanditist bei der Beklagten aus. A1 übertrug 2009 seine Anteile im Wege vorweggenommener Erbfolge auf A3. A1 ist immer noch für die Beklagte als Vorsitzender des Beirats tätig. Zwischen den Parteien sind mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig.
Auf der Internetseite der Beklagten findet sich unter der Rubrik "A Geschichte" für das Jahr 1958 der Eintrag: "Geburtsjahr der A Gruppe. In O1 gründet A1 sein erstes Ingenieur-Unternehmen." In der nachfolgenden Aufstellung werden auch Daten und Projekte genannt, die vor dem Gründungsjahr der Beklagten liegen (Projekt "X" in O2 und Projekt "Y"). Die Gründung der Klägerin wird nicht erwähnt (Anlage K3). Unter der Rubrik "Die A Gruppe" heißt es, A1 habe mit der Gründung des Ingenieurbüros 1958 den Grundstein für den Aufbau einer weltweit operierenden Unternehmensgruppe gelegt. Seit der Gründung sei der Unternehmer "mit seiner A Gruppe" an Projekten in über 90 Staaten beteiligt. Weiter heißt es: "Heute sind wir mit über 800 Mitarbeitern auf vier Kontinenten ...