Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungspflicht der Banken: Notwendige Unterscheidung zwischen Rückvergütungen (Kick-backs) und Provisionen
Leitsatz (amtlich)
Kalkulatorische Preisbestandteile müssen von der beratenden Bank nur erwähnt werden, falls sie ungewöhnlich hoch sind und die Werthaltigkeit der Anlage in Frage stellen. Die häufig vertretene Auffassung, zwischen Rückvergütung und Innenprovision bestehe kein wesentlicher Unterschied, ist unzutreffend. Der Grund für die Offenbarungspflicht von Rückvergütungen liegt in der dem Schmiergeld ähnlichen Funktion, auf Innenprovisionen trifft dies nicht zu. Die Differenzierung zwischen Rückvergütungen und Provisionen ist erforderlich, da eine Ausweitung der Aufklärungspflichten auf Handelsspannen und Gewinnmargen dem hiesigen Wirtschaftssystem widerspricht.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.06.2010; Aktenzeichen 2/19 O 146/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.6.2010 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LG in Frankfurt/M. wird zurückgewiesen, jedoch werden die ersten beiden Absätze dieses Urteils dahingehend berichtigt, dass sie wie folgt lauten:
"Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.045,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.2.2009 Zug um Zug gegen Übereignung der 17 Zertifikate "LEHMAN BROTHERS ... NIKKEI225" mit der Wertpapierkennnummer ... sowie der ... sowie Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen die Garantiegeberin Lehmann Brothers Holding Inc., deren Rechtsnachfolgerin oder die Insolvenzmasse, zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme der 17 Zertifikate "LEHMAN BROTHERS ... NIKKEI225" mit der Wertpapierkennnummer ... sowie der ... in Verzug befindet."
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Auf den zutreffenden Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. Ergänzt sei, dass unstreitig der Ehemann der Klägerin den Bankberater, den Zeugen Z1, am ... 2008 angerufen und ihn gefragt hat, ob das streitgegenständliche Zertifikat veräußert werden solle. Im Ergebnis kam es nicht dazu, wobei der genaue Inhalt der Äußerung des Zeugen Z1 streitig ist. Auch auf diesen Umstand ist die Klage gestützt.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Es hat dabei versehentlich über zuletzt so nicht gestellte Anträge zu 1. und 2. entschieden. Eine Berichtigung des Tenors ist nicht erfolgt.
Das LG bezeichnet die Klage als begründet, weil die Beklagte den von den Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrag verletzt habe. Es könne dabei dahingestellt bleiben, ob die Empfehlung der Beklagten anlegergerecht gewesen sei. Sie sei jedenfalls fehlerhaft gewesen, weil die Beklagte den bei ihr bestehenden Interessenskonflikt wegen ihres Vergütungsinteresses nicht offen gelegt habe. Eine solche Pflicht bestehe auch bei Veräußerungen im Wege des Eigenhandels und beziehe sich auch auf die Höhe, die unstreitig nicht mitgeteilt worden sei. Zu berücksichtigen sei, dass Kunden vielfach durch Kontobeziehungen emotional gebunden seien.
Von der Kausalität sei auszugehen. Es greife die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens ein. Es könne nicht angenommen werden, dass der Klägerin die Zahlung einer Vertriebsvergütung i.H.v. 3,5 % zzgl. ggf. weiterer zu zahlender Folgeprovisionen gleichgültig gewesen wäre. Es erscheine auch lebensnah, dass die Klägerin sich für eine andere Anlage entschieden hätte, weil sie beabsichtigte, die für das Jahr 2013 erwartete Rückzahlung ihrem Sohn nach Abschluss von dessen Studium zur Verfügung zu stellen, und deswegen Kapitalsicherheit erwartet habe.
Auch das Verschulden liege vor. Die Pflicht zur Mitteilung von Rückvergütungen habe sich damals bereits ergeben durch die Urteile des XI. Zivilsenats des BGH vom 19.12.2000 und vom 19.12.2006.
Gegen dieses Urteil wendet sich die form- und fristgerechte Berufung der Beklagten, die wie folgt begründet wird:
Das Urteil des LG enthalte unrichtige Tatsachenfeststellungen und beruhe auch auf der fehlerhaften Anwendung materiellen Rechts.
Auf Grund der Zeugenaussagen habe das LG zumindest zu dem Ergebnis kommen müssen, dass hinsichtlich der Frage, ob eine Aufklärung über die konkrete Höhe der Erträge der Beklagten durch den Verkauf des Zertifikats erfolgt sei, ein non liquet vorliege.
Eine Pflicht zur Aufklärung über Erträge im Rahmen von Festpreisgeschäften bestehe nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung nicht. Es fehle auch an der Kausalität. Eine Vermutung greife nicht ein, weil die Praxis zeige, dass Bankkunden durch den Hinweis auf Erträge der Bank nicht vom Kauf von Zertifikaten abgehalten würden. Es fehle auch der Schutzzweckzusammenhang. Zwischen dem Hinweis auf Erträge der Bank und dem durch die Insolvenz entstandenen Schaden bestehe kein Zusammenhang. Es fehle schließlich an einem Verschulden. Sie habe sich zumindest in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befunde...