Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Reisevertrages bei kurzfristiger Verschärfung der Einreisebestimmungen
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.03.2004; Aktenzeichen 2-19 O 134/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Frankfurt am Main vom 2.3.2004 (LG Frankfurt/M., Urt. v. 2.3.2004 - 2-19 O 134/03) wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, bulgarischer Staatsbürger, beansprucht aus eigenem und abgetretenem Recht seiner 22 bulgarischen Mitreisenden Rückerstattung des (restlichen) Reisepreises. Er hatte für sich und seine Mitreisenden bei der Beklagten eine Gruppenreise nach Thailand gebucht (3.1.-19.1.2003). Bei Buchung der Reise im Oktober bzw. November 2002 bestand noch keine Visumpflicht; am 20.12.2002 führte Thailand ohne vorherige öffentliche Ankündigung die Visumpflicht für Bulgaren ein. Die Reiseteilnehmer erfuhren dies am 23.12.2002 von einem Bekannten. Die rechtzeitige Beschaffung von Visa war ihnen nicht mehr möglich, weil die zuständige Botschaft vom 24.12.2002 bis zum 2.1.2003 geschlossen war und die Ausstellung eines Visums fünf bis sechs Werktage erfordert. Die Reisegruppe forderte daraufhin die Rückzahlung des Reisepreises. Die Beklagte bestätigte zwar die Stornierung der Reise, erstattete jedoch nur einen Teil des Reisepreises (9.879,50 Euro). Der Restbetrag bildet - abzgl. eines anderweit verrechneten Teilbetrages - den Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe eine ihr obliegende Hinweispflicht verletzt, indem sie ihn nicht auf die inzwischen eingeführte Visumpflicht für bulgarische Reiseteilnehmer hingewiesen habe.
Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.666,50 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.1.2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zur Rückerstattung weiterer 16.666,50 Euro verurteilt. Es hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verloren; denn es liege ein Fall höherer Gewalt vor, der die Durchführung der Reise unmöglich gemacht habe und die Reisenden zur Kündigung nach § 651j Abs. 1 BGB berechtigt habe. Pauschalisierte Stornokosten könne die Beklagte angesichts dessen nicht verlangen (§ 651m BGB); dass ihr konkret Stornokosten entstanden seien, habe sie nicht dargelegt. Ob der Beklagten zusätzlich die Verletzung einer Hinweispflicht anzulasten sei, könne offen bleiben, weil auch ein sofortiger Hinweis an der Undurchführbarkeit der Reise unter den gegebenen Umständen nichts mehr hätte ändern können.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie rügt fehlerhafte Rechtsanwendung durch das erstinstanzliche Gericht und meint, die Einführung der Visumpflicht für Bulgaren stelle keinen Fall höherer Gewalt dar, sondern sei Ausdruck eines allgemeinen Lebensrisikos der Reisenden; das LG habe verkannt, dass die Reiseteilnehmer grundsätzlich durchaus Visa hätten erhalten können und dies rechtzeitig nur deshalb nicht mehr gelingen konnte, weil das Konsulat (unstreitig) über die Feiertage geschlossen gewesen sei. Es sei bei Vertragsschluss auch nicht völlig unvorhersehbar gewesen, dass osteuropäische Staatsangehörige auch kurzfristig mit einer Visumpflicht belegt werden könnten, wie das Beispiel "vieler Urlaubsländer" zeige. Aus der BGB-InfoV ergebe sich zudem, dass Reiseveranstaltern besondere Hinweispflichten auf Visumerfordernisse nur für Angehörige des Mitgliedsstaates auferlegt werden sollten, in dem die Reise angeboten wird; ggü. dem Kläger und seinen Mitreisenden könnten ihr solche besonderen Informationspflichten jedoch nicht abverlangt werden.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die zulässige, insb. form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat das LG dem Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung auch des restlichen Reisepreises - soweit beansprucht - zuerkannt. Die Reisenden waren zur Kündigung des Reisevertrages wegen Undurchführbarkeit der Reise aufgrund höherer Gewalt berechtigt (§§ 651j Abs. 2 S. 1, 651e Abs. 3 S. 1, 2 BGB). Der geltend gemachte Anspruch besteht in voller Höhe, da die Beklagte Entschädigung für etwa bereits erbrachte Reiseleistungen nicht konkret beansprucht hat.
Ob sich der geltend gem...