Entscheidungsstichwort (Thema)
VW-Dieselskandal: Keine Ansprüche wegen Software-Update
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 04.03.2021; Aktenzeichen 4 O 993/20) |
Nachgehend
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hanau vom 04.03.2021 (Az: 4 O 993/20) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf bis 6.000,- EUR.
Gründe
I. Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche nach Erwerb eines vom sog. "Dieselskandal" betroffenen Pkw geltend.
Der Kläger ist Eigentümer eines Pkw VW Polo 1,6 TDI, Fahrzeugidentifikationsnummer ... (im Folgenden: FIN), den er am 10.01.2013 zum Preis von 21.452,99 EUR erwarb (Anlage K 50, Anlagenband). Das Fahrzeug fällt in die Schadstoffklasse Euro 5 und verfügt über eine entsprechende EG-Typgenehmigung.
Im streitgegenständlichen Fahrzeug ist ein durch die Beklagte hergestellter Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut. Zum Erhalt der EG-Typgenehmigung installierte die Beklagte als Herstellerin eine Motorsteuergerätsoftware, welche im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens den standardisierten Prüfstandbetrieb "Neuer Europäischer Fahrzyklus" (NEFZ) aufgrund eines "unnatürlichen Fahrverhaltens" (hohe Raddrehzahlen ohne Bewegung des Fahrzeugs) erkannte und den Motor sodann in den Betriebsmodus 1 schaltete. Im Betriebsmodus 1 kam es zu einer optimal hohen Abgasrückführungsrate, so dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstanden. Im normalen Straßenbetrieb, also unter realen Fahrbedingungen, hingegen schaltete die Software den Motor in den Betriebsmodus 0, in dem die Abgasrückführungsrate niedriger lag. Dementsprechend fielen im normalen Straßenbetrieb die NOx-Emissionen höher aus und überschritten die gesetzlichen Vorgaben der EU VO Nr. 175/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6).
Am 22.09.2015 veröffentlichte die Beklagte eine Presse- und eine gleichlautende Ad-hoc-Mitteilung, in der sie über das Vorhandensein dieser Motorsteuergerätsoftware bei Fahrzeugen mit Motoren vom Typ EA 189 informierte, mit - auszugsweise - folgendem Wortlaut:
"Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund 11 Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. C arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem deutschen Kraftfahrt-Bundesamt."
Im Oktober 2015 schaltete die Beklagte eine über einen Link auf ihrer Website erreichbare Internetseite mit einer Suchmaschine frei, auf der Halter mittels Eingabe der FIN die individuelle Betroffenheit ihres Fahrzeugs überprüfen konnten.
Ebenfalls im Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen Fahrzeugen an, da es sich bei der in den betroffenen Fahrzeugen verwendeten Motorsteuergerätsoftware um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Das KBA gab der Beklagten als Nebenbestimmung zur erteilten Typgenehmigung auf, im Rahmen eines vorzulegenden Zeit- und Maßnahmenplans einen ordnungsgemäßen Zustand der Fahrzeuge herzustellen durch Entfernung der streitigen Software des Motorsteuergeräts und dies dem KBA nachzuweisen (Anlage R 4, Anlagenband).
Die entsprechend dieser Vorgabe durch die Beklagte entwickelte technische Lösung, nämlich ein Software-Update (bei 1,6-Liter Motoren wie im streitgegenständlichen Fahrzeug nebst einem Strömungsgleichrichter), prüfte das KBA und gab es dann zur Verwendung frei.
Die ab dem Jahr 2016 begonnene technische Überarbeitung der Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA 189 durch Implementierung von Software-Update und Strömungsgleichrichter ließ auch der Kläger durchführen.
Der Kläger beteiligte sich an der im November 2018 vor dem Landgericht Braunschweig erhobenen Musterfeststellungsklage. Den Abschluss des in dem Rahmen vorgeschlagenen Vergleichs, der im April 2020 zur Rücknahme der Musterfeststellungsklage führte, lehnte der Kläger jedoch ab.
Stattdessen hat der Kläger die Beklagte mit noch im Jahr 2020 zugestellter Klage vor dem Landgericht Hanau auf Feststellung ihrer Pflicht zum Ersatz aller dem Kläger aus dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs entstandener und noch entstehender Schäden in Anspruch genommen.
Kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz wies das streitgegenständliche Fahrzeug einen Kilometer...