Entscheidungsstichwort (Thema)
Kartellrecht: Die im TPS 05 festgelegten Preiskonditionen unterliegen der gerichtlichten Billigkeitskontrolle nach § 315 III BGB
Leitsatz (amtlich)
Die vertragliche Formulierung gem. § 3 Nr. 3 INV, wonach die "jeweils gültige Trassenpreisliste" der Entgeltberechnung zugrunde zu legen ist, beinhaltet das Einverständnis der Beklagten, dass sowohl die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden wie auch künftig der Leistungsabrechnung zugrunde zu legenden geänderten Preise für die Infrastrukturüberlassung nicht der Vereinbarung unterliegen, sondern ohne Mitwirkung der Beklagten von der Klägerin für eine jeweils bestimmte Zeitdauer betragsmäßig festgesetzt und der Abrechnung zugrunde gelegt werden. Damit liegen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von § 315 BGB vor.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 3, § 537c Abs. 1, § 536c Abs. 2 S. 2; EIBV § 21 Abs. 4; AEUV Art. 267
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.05.2009) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 29.5.2009 teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung der Beklagten zu 2) wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten haben die Klägerin 64 % und die Beklagte zu 2) 36 % zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat die Klägerin 64 % zu tragen; von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat die Beklagte zu 2) 36 % tragen. Im Übrigen trägt jeder seiner außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten; der Beklagten zu 1) bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils werden gem. § 540 ZPO in Bezug genommen und wie folgt ergänzt:
Die Klägerin - ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen - begehrt Zahlung i.H.v. EUR 335.376,50 nebst Zinsen von den Beklagten. Die Beklagte zu 1) ist ein nach dem AEG zugelassenes Eisenbahnverkehrsunternehmen (i. F.: EVU). Sie hält sämtliche Anteile an der Beklagten zu 2), welche im Bereich des Ostsachsennetzes unter Verwendung der der Beklagten zu 1) erteilten Konzession Teile des Schienenpersonennahverkehrs unter Nutzung von Zugtrassen und Einrichtungen der Klägerin bedient.
Grundlage der vertraglichen Beziehung der Parteien ist der im Juni 2005 mit der Klägerin geschlossene Infrastrukturnutzungsvertrags (i. F.: INV). Das gem. § 3 Nr. 1, 3 INV geschuldete Entgelt bestimmt sich gem. § 10 INV i.V.m. Anlage 4 nach dem jeweils gültigen Trassenpreissystem (i. F.: TPS). Im Fall des Zahlungsverzugs der Beklagten zu 2) schulden die Beklagten das Entgelt als Gesamtschuldner (§ 3 Nr. 9 INV). In den Vertrag wurden u.a. gem. § 10 INV u.a. die Allgemeinen Bedingungen für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur der Klägerin (i. F.: ABN, Anlage 2) einbezogen.
Der Klage liegen offene Abschlagsrechnungen der Klägerin für die Monate Juni sowie Oktober bis Dezember 2006 nebst der Spitzabrechnung für das Jahr 2006 zugrunde (Bl. 62, 69, 74, 81, 88 d.A.), die jeweils auf Basis des zum 11.12.2005 in Kraft getretenen TPS 05 (i. F.: TPS 05, Anlage 2, Bl. 47 ff. d.A.) berechnet wurden.
Das LG hat der Klage - mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung - stattgegeben und die Widerklage als unbegründet abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die in der Vergangenheit erhobenen Entgelte zwar unabhängig von den Möglichkeiten der Überprüfung durch die Regulierungsbehörde gem. § 14e AEG einer zivilrechtlichen Kontrolle nach eisenbahn- und kartellrechtlichen Gesichtspunkten unterlägen. Dieser Kontrolle hielten sie jedoch stand. Das TPS 05 entspreche den Vorgaben des AEG und der EiBV. Im Hinblick auf diese Eisenbahnrechtskonformität hätte es näherer Darlegungen für eine dennoch bestehende Kartellrechtswidrigkeit im Sinne einer unbilligen Behinderung oder Diskriminierung bedurft; daran fehle es.
Für eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB bestünde kein Raum. § 315 BGB sei unmittelbar nicht anwendbar, da das TPS 05 zwischen den Parteien vereinbart worden sei gem. § 3 Ziff. 3 S. 1 INV. § 315 BGB sei auch nicht entsprechend anwendbar, da die Klägerin keine Leistungen der Daseinsvorsorge erbringe. Den aus der Monopolposition der Eisenbahnunternehmen ggf. folgenden Gefährdungen trügen bereits die Regelungen in §§ 14 AEG hinreichend Rechnung.
Den Beklagten stünde im Rahmen des als Mietvertrag zu wertenden Vertragsverhältnisses kein Minderungsanspruch zu, da bereits nicht ersichtlich sei, weshalb sich bezogen auf die Gesamtkosten für die T...