Entscheidungsstichwort (Thema)

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Pachtzahlungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in den Hessischen Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus im Frühjahr 2020 angeordneten Beschränkungen für Gaststätten begründen auch im Pachtverhältnis keinen zur Minderung führenden Mangel der gepachteten Gewerberäume und keine Unmöglichkeit der von dem Verpächter geschuldeten Leistung. Das Fruchtziehungsrecht des Pächters führt zu keiner abweichenden Beurteilung.

2. Durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie kann die Geschäftsgrundlage auch eines Pachtvertrages schwerwiegend gestört sein, wenn die Vertragsparteien sie bei Abschluss des Vertrages nicht bedacht haben. Der Pächter ist aber nicht berechtigt, den Vertrag außerordentlich zu kündigen.

3. Gibt der Pächter den Geschäftsbetrieb auf, bevor die Betriebsbeschränkungen Auswirkungen auf seine Geschäfte zeigen konnten, ist eine Anpassung der Pacht über § 313 Abs. 1 BGB regelmäßig nicht möglich.

 

Normenkette

BGB § 313 Abs. 1, §§ 535, 543 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 581 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 12.11.2020; Aktenzeichen 9 O 721/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Wiesbaden vom 12.11.2020, Az. 9 O 721/20, abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 21.600,- Euro sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.085,95 Euro nebst Zinsen aus 2.085,95 Euro in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.05.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 70 % und die Beklagte 30 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die jeweilige Vollstreckung abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für die erste Instanz sowie für die zweite Instanz bis zum 07.05.2021 auf 76.320,- EUR und ab dem 08.05.2021 auf 24.300,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit der Klage begehrte die Klägerin Zahlung von Pachtzins für April 2020 und Betriebskostenvorauszahlung für das zweite Quartal 2020 sowie zunächst Feststellung, dass die Beklagte bis zum vertraglichen Ende des Pachtverhältnisses zur Entrichtung des Pachtzinses und der Vorauszahlungen auf die Nebenkosten verpflichtet ist; im Rahmen der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen und begehrt nun noch Zahlung der vereinbarten Pacht nebst Nebenkostenvorauszahlungen bis zum 31.12.2020.

Unter dem 31.8.2017 (Bl. 8 ff. der Akten) schlossen die Klägerin als Verpächterin und die Beklagte als Pächterin einen Pachtvertrag über die Nutzung der Gaststätte "X" in Ort1.Pachtbeginn war der 1.3.2018. Das Pachtverhältnis wurde zunächst auf die Dauer von fünf Jahren begründet und sollte sich um jeweils ein Jahr verlängern, sofern nicht von einer der Parteien spätestens zwölf Monate vor Ablauf des Enddatums (1.3.2023) eine schriftliche Kündigung erklärt wird. Als Pachtsumme waren monatlich 2.250,- EUR vereinbart, wobei sich der Mietpreis ab dem zweiten Jahr (gerechnet ab dem 1.3.2018) um den vom statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland des Vorjahres erhöhen oder vermindern sollte.Weiter enthält der Vertrag die Regelung, dass bauliche Veränderungen nur mit der Genehmigung der Verpächterin vorgenommen werden dürfen, die jährliche Instandsetzung des Restaurationsgartens, der Toilettenanlagen und Schönheitsreparaturen aller Art des Pachtobjekts sollten zulasten der Pächterin gehen. Für die Nebenkosten war ein vierteljährlicher Abschlag i.H.v. 1.350,- EUR je Quartal vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten des Pachtvertrages wird vollumfänglich auf Bl. 8 ff. der Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 24.3.2020 (Bl. 10 der Akten) kündigte die Beklagte das Pachtverhältnis unter Berufung auf § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB außerordentlich, da durch die behördliche Untersagung der Bewirtung im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie die gepachteten Räume nicht mehr zum vertraglich vereinbarten Zweck zur Verfügung stünden. Diese Kündigung wies die Klägerin mit Schreiben vom 27.3.2020 (Bl. 11 ff. der Akten) zurück unter Bezugnahme darauf, dass bereits über eine Vertragsanpassung gesprochen worden sei, die Klägerin habe zudem Stundung bzw. Herabsetzung der Pachtzinsen angeboten. Die Beklagte hielt an der Kündigung fest, räumte die Gaststätte aus und teilte mit Schreiben vom 1.4.2020 (Bl. 17 der Akten) mit, dass die Schlüssel zu den Gaststättenräumen in den Briefkasten der Stadt1er Wohnung der Klägerin eingeworfen worden seien; Energiebelieferung und Müllabfuhr seien abgemeldet worden. In welchem Zustand die Beklagte die Pachtsache hinterlassen hat und wann die Schlüssel zurückgegeben wurden, i...

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