Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 02.04.1987; Aktenzeichen 3 O 435/84)

 

Tatbestand

Bei der damals 32-jährigen Klägerin wurde am 06.02.1981 nach operativer Entfernung eines Tumors im hinteren Bereich des mittleren Teils des Brustkorbs die Diagnose einer Lymphogranulomatose (Hodtkinsche Krankheit) gestellt. Die daraufhin vorgeschlagene postoperative strahlentherapeutische Behandlung wurde vom Beklagten in der Zeit vom 13.03. bis 19.05.1981 im Stadtkrankenhaus xxx durchgeführt.

Im Frühjahr 1982 traten bei der Klägerin sensible Störungen in den Beinen auf, die in der Folgezeit zunächst zu einer Gehschwäche und schließlich zu einer inkompletten Querschnittslähmung ab dem zehnten Brustwirbel führten.

Die Klägerin begehrt im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage vom Beklagten Ersatz ihres immateriellen und materiellen Schadens.

Es ist in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien nicht mehr streitig, dass die bei der Klägerin eingetretene Querschnittslähmung die Folge der Strahlenbehandlung darstellt, hinsichtlich derer dem Beklagten jedoch kein Behandlungsfehler zur Last zu legen ist.

Die Klägerin macht nur noch geltend, der Beklagte habe seine ärztliche Aufklärungspflicht verletzt, indem er es unterlassen habe, sie über das Risiko des Eintritts von Lähmungen als Folge der Strahlenbehandlung aufzuklären.

Hierzu hat die Klägerin - die vor der Behandlung das hiermit in Bezug genommene - Bl. 30 d.A. - Formular unterzeichnet hat - behauptet, der Beklagte habe in einem der ersten Bestrahlung unmittelbar vorausgehenden etwa 20-minütigen Gespräch lediglich auf unbedeutende Risiken hingewiesen.

Sie hat geltend gemacht, sie hätte sich bei sachgemäßer Aufklärung nicht auf die vom Beklagten vorgeschlagene Behandlung eingelassen, sondern andere Ärzte konsultiert und hinsichtlich der Möglichkeit des Einsatzes möglichst geringer Strahlendosen befragt. Sie hätte sich dann, auch auf die Gefahr der Bildung von Rezidiven hin, zur Vermeidung des Querschnittsrisikos für die Anwendung einer geringeren Strahlendosis entschieden.

Die Klägerin hat im Hinblick auf die erlittene schwere Beeinträchtigung ihrer körperlichen Unversehrtheit und ihrer gesamten Lebensführung ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000 DM für angemessen erachtet.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zur Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten, mindestens jedoch 150.000 DM betragenden, Schmerzensgeldes zu verurteilen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr für den zukünftigen Schaden Ersatz zu leisten, der aus der Strahlentherapie in der Zeit zwischen dem 13.03. und dem 19.05.1981 herrührt, ausgenommen der auf öffentliche Versicherungsträger gemäß 5 1542 RVO übergegangenen Ersatzansprüche.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat den Verlauf des mit der Klägerin geführten Aufklärungsgespräches abweichend dargestellt. Wegen seiner Darstellung wird auf seine Angaben vor dem Landgericht im Termin vom 02.05.1985 (Bl. 102-103 d.A.) Bezug genommen. Er hat gemeint, damit seiner ärztlichen Aufklärungspflicht genügt zu haben.

Im Übrigen, so hat er geltend gemacht, hätte sich die Klägerin auch bei umfassenderer Aufklärung, selbst nach dem Hinweis auf das - geringe - Risiko einer Querschnittslähmung der von ihm angeratenen Bestrahlung unterzogen, weil sie die einzige Möglichkeit gewesen sei, das Leben der Klägerin zu erhalten.

Der Beklagte hat sich auch gegen die Höhe des von der Klägerin für angemessen erachteten Schmerzensgeldes gewandt und insbesondere geltend gemacht, es sei zu berücksichtigen, dass die Erkrankung der Klägerin ohne die von ihm durchgeführte Bestrahlung inzwischen zu deren Ableben geführt hätte.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Ehemannes der Klägerin als Zeugen und durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02.05.1985 (Bl. 102-106 d.A.) und auf die schriftlichen Sachverständigengutachten des Direktors des Medizinischen Strahleninstituts der Universität xxx, Prof. Dr. xxx vom 26.09.1985 (B1. 124-135 d.A.) nebst schriftlicher Ergänzung vom 09.01.1986 (B1. 151-154 d.A.) und mündliche Erläuterung im Kammertermin vom 06.02.1986 (Sitzungsniederschrift Bl. 158-161 d.A.) sowie des Direktors der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik xxx, Prof. Dr. xxx vom 15.12.1986 (B1. 176-194 d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat den Beklagten mit seinem hiermit in Bezug genommenen Urteil wegen einer diesem angelasteten Verletzung seiner Aufklärungspflicht zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 120.000 DM verurteilt und die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz des der Klägerin aus der Behandlung künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schadens getroffen.

Gegen das ihm am 15.05.1987 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 12.06.1987 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.09.1987 am 15.09.1987 begründet.

Der Beklagte macht weiter...

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