Leitsatz (amtlich)
1. Die vertraglich vereinbarte Lufttransportstrecke bestimmt, in welcher Fassung das Warschauer Abkommen Platz greift, weshalb sich ggf. auch ein deutscher Luftfrachtführer auf die Haftungsbeschränkung des MP4 berufen kann.
2. Soweit das auf einen Güterbeförderungsvertrag anzuwendende Recht nicht nach Art. 28 Abs. 4 EGBGB mangels Vorliegens aller dort genannten Tatbestandsmerkmale bestimmt werden kann, bestimmt sich das Rechtsstatut ausschließlich nach Art. 28 Abs. 1 EGBGB.
3. Findet auf eine internationale Luftgüterbeförderung das WA/HP/MP 4 sachlich-rechtlich Anwendung, so eröffnet Art. 28 WA/HP bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen auch einen Gerichtsstand in einem Staat, der nur das WA/HP, nicht aber auch MP4 ratifiziert hat.
4. Welchem Wert 17 Sonderziehungsrechte i.S.v. Art. 22 WA/HP/MP 4 in der Landeswährung des Vertragsstatuts entsprechen, ergibt sich aus dem Umrechnungskurs SZR zur Landeswährung am Tag, an dem die mündliche Verhandlung im Erkenntnisverfahren geschlossen wird.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 22.11.2005; Aktenzeichen 14 O 235/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.11.2005 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt abgeändert.
Unter Abweisung der weiter gehenden Klage wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4.627.67 USD nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.7.2004 zu zahlen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 98 % und die Beklagte 2 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Beide Parteien dürfen jeweils die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 15 % hieraus abwenden, wenn nicht der jeweilige andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 15 % hieraus leistet.
Gründe
A. Eine in der Türkei geschäftsansässige Firma verkaufte an eine in Dänemark ansässige Firma Computerbauteile zu einem Rechnungswert von 247.500 USD. Die Kaufware wurde der Beklagten in Mailand (Italien) übergeben und sollte per Luftfracht nach Kopenhagen (Dänemark) verbracht werden. Mit Schreiben vom 5.6.2003 teilte die Beklagte unter Bezugnahme auf vorangegangene Korrespondenz mit, dass die Sendung unauffindbar und als "verloren" anzusehen sei.
Die Warenkäuferin in Dänemark hatte den Transport bei der Klägerin versichert. Die Klägerin zahlte der Käuferfirma den Betrag von 247.500 USD und berühmt sich unter Hinweis auf den nach dänischem Recht erfolgten gesetzlichen Forderungsübergang nunmehr ggü. der Beklagten eines Schadensersatzanspruches in Höhe der Versicherungsleistung. Die Versicherin der Beklagten bot der Klägerin mit Schreiben vom 28.7.2004 (Bl. 13 d.A.) an, gegen Abfindungserklärung den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach anzuerkennen, der Höhe nach beschränkt gem. WA/HP/MP 4 auf 17 Sonderziehungsrechte (SZR/SDR) pro Kilogramm, entsprechend 4.517,15 USD.
Mit bei dem LG Darmstadt am 29.4.2005 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin, die dänische Versicherungsgesellschaft, gegen die Beklagte, die deutsche Luftfrachtführerin, Klage auf Zahlung von 247.500 USD nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.7.2004 erhoben und im Wesentlichen zur Klagebegründung vorgetragen, ihr stünde ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 18 WA/HP zu. Die Haftungsbegrenzung nach Art. 22 Abs. 2 lit. a WA/HP mit seiner Beschränkung auf 250 französische Goldfranken greife vorliegend deshalb nicht ein, weil der Beklagten ein qualifiziertes Verschulden i.S.d. Art. 25 WA/HP anzulasten sei. Das MP 4 greife mit seiner strikten Haftungsbegrenzung nicht ein, weil die Bundesrepublik Deutschland das vorbezeichnete Protokoll nicht ratifiziert habe. Da die Güterbeförderung i.S.d. Art. 28 Abs. 2 EGBGB die charakteristische Leistung sei, weise der Beförderungsvertrag engste Verbindungen zu Deutschland auf, weshalb deutsches Recht Platz greife. Das angerufene LG sei deshalb auch international zuständig, was bereits aus Art. 28 WA/HP folge. Dass Deutschland das Montrealer Protokoll Nummer 4 nicht ratifiziert habe, sei unerheblich, weil dieses Protokoll nicht anwendbar sei.
Die Beklagte hat um Klageabweisung nachgesucht und die Rüge der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts erster Instanz erhoben. Vorliegend unterstehe der Güterbeförderungsvertrag, so hat die Beklagte vorgetragen, dem Haftungsregime WA/HP/MP 4 mit der Folge, dass Deutschland als Gerichtsstand ausscheide, weil es eben das Montrealer Protokoll Nummer 4 nicht unterzeichnet habe. Selbst wenn ihrer Rechtsauffassung bezüglich der internationalen Zuständigkeit nicht zu folgen sei, verbleibe es aber zumindest sachlich-rechtlich bei dem streng limitierten Haftungssystem des Montrealer Protokolls Nr. 4.
Mit am 22.11.2...