Leitsatz (amtlich)
Zur Pflicht eines Vorstandsmitglieds eine Gesellschaft nicht dadurch zu schädigen, dass ihm bei einem Geschäft (hier: Mietvertrag über Wohnräume der Gesellschaft, einer AG, mit einer Laufzeit von 30 Jahren) aufgrund der Organstellung unberechtigte Vorteile entstehen
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.05.2005) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.5.2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert und zum Zwecke der Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 467.516,77 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.3.2005.
Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens haben die Klägerin 75 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 25 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der jeweils gegnerischen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Beklagte zu 1. war vom 17.10.1995 bis zu seiner Abberufung am 2.4.2004 Vorstandsvorsitzender der Klägerin; er war darüber hinaus auch Aktionär. Bei den Beklagten zu 2. bis 4. handelt es sich um frühere Aufsichtsratsmitglieder der Klägerin.
Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit der Immobilie ... straße ... in Stadt1. Das diesbezügliche Grundstück wurde vom Beklagten zu 1. und dessen Ehefrau erworben und zur gemischten Gewerbe- und Wohnraumnutzung bebaut. Die Bebauung erfolgte durch die Firma A/B. 1997 wurde die Immobilie auf die Klägerin übertragen. Im Oktober 1999 bezogen der Beklagte zu 1. und dessen Ehefrau die Ebenen 3 - 5 als Wohnung, während die Klägerin die Flächen 0 - 2 gewerblich nutzte. Am 18.1.2000 unterzeichnete der Beklagte zu 1. für die Klägerin als Vermieterin und für sich als Mieter einen Mietvertrag betreffend die im Hause ... straße ... gelegene Wohnung mit einem monatlichen Mietzins von 4.655 EUR (Bl. 456). Dieser Mietvertrag wurde von 3 Mitgliedern des damals aus 4 Personen bestehenden Aufsichtsrates - wozu noch nicht die Beklagten zu 2. bis 4. gehörten - "im Umlaufverfahren" genehmigt (Bl. 459 - 461).
Unter dem 2.6.2000 unterzeichneten der Beklagte zu 1. als Mieter und der Beklagte zu 4. für die Klägerin bezüglich der genannten Wohnung einen Mietvertrag (Anlage K8, Bl. 66 - 77), dessen Abschluss den Beklagten als Pflichtverletzung vorgeworfen wird.
Zu den auf dem Mietvertrag vom 2.6.2000 bereits vorhandenen Unterschriften des Beklagten zu 1. und des Beklagten zu 4. leisteten am 8.6.2001 auch der Beklagte zu 2. und der Beklagte zu 3. ihre Unterschriften (Mietvertragsexemplar Anlage K9 - Bl. 93 - 105, Bl. 741). Der Mietvertrag war auf die Dauer von 30 Jahren abgeschlossen und enthielt eine Wertsicherungsklausel (Bl. 77); als Nettomietzins war ein monatlicher Betrag von 6.732 DM vereinbart.
Der Mietvertrag war auch Gegenstand einer Aufsichtsratssitzung vom 8.6.2001 (Bl. 931); ebenfalls am 8.6.2001 wurde der Mietvertrag durch Beschluss des Personalausschusses des Aufsichtsrates (durch den Beklagten zu 2. als Aufsichtsratsvorsitzenden und durch den Beklagten zu 3. genehmigt (Bl. 106, 480).
Am 18.6.2002 kam es zu einer abschließenden Vereinbarung der Klägerin mit der Firma A/B (Bl. 124) bzgl. deren restlicher Werklohnforderung aus der Errichtung des streitgegenständlichen Objekts.
Am 2.4.2004 kündigte die Klägerin den Anstellungsvertrag mit dem Beklagten zu 1. fristlos und erteilte diesem Hausverbot (Bl. 37). Die Klägerin veräußerte die Immobilie gemäß Angebot vom 7.5.2004 (Bl. 626) zum Kaufpreis von 3,1 Mio. EUR - ohne Inventar - an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ... straße ..., die derzeit weiterhin Eigentümerin des Objekts ist. Mit Schreiben vom 30.8.2004 kündigte die Klägerin den Mietvertrag vom 2.6.2000 fristlos wegen Mietrückstandes (Bl. 107), woraufhin der Beklagte zu 1. Feststellungsklage erhob, dass der Mietvertrag vom 2.6.2000 weiterhin wirksam sei (AG Frankfurt/M. Az.: 33 C 3334/04 - 67). Durch - inzwischen rechtskräftiges - Teilurteil vom 20.12.2005 (Bl. 983) wurde diese Klage abgewiesen und der hiesige Beklagte zu 1. auf die Widerklage zur Herausgabe und Räumung der Wohnung verurteilt.
Am 28.7.2006 (Bl. 980) zog der Beklagte zu 1. - zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung - aus dem Objekt aus.
Die Klägerin hat erstinstanzlich von den Beklagten gesamtschuldnerisch die Zahlung von 1.864.238,10 EUR begehrt (Bl. 23) - nämlich: Mietzinsnachforderung für den Zeitraum 1.12.1999 bis 30.6.2004 (310.847,76 EUR), Nebenkostennachforderung für diesen bezeichneten Zeitraum (53.390,34 EUR) und 1,5 Mio. EUR Wertverlust der Immobilie beim Weiterverkauf, wobei dieser Wert...