Leitsatz (amtlich)
Das Fehlen der richterlichen Unterschrift unter den Urteilsgründen ist mit der Verfahrensrüge geltend zu machen, wenn die Unterschrift teilweise mit Korrektur-Fluid beseitigt wurde und sich der Rechtsfehler damit nicht allein aus der Urteilsurkunde erschließen lässt.
Normenkette
StPO §§ 275, 338 Nr. 7
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.07.2014; Aktenzeichen 953 Ls-5340 Js 251915/12) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 03.07.2014 wird mit der Maßgabe verworfen, dass es im Tenor dahingehend neu gefasst wird, dass die Bezeichnung "gemeinschaftlich" entfällt, und dass die Einziehung die sichergestellten 363,75 g Marihuana umfasst.
Die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten am 03.07.2015 des gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Der Angeklagte wurde verwarnt; ihm wurde ferner aufgegeben, 1.000 € an eine Drogenberatungsstelle zu zahlen und binnen vier Monaten 80 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten.
Gegen dieses Urteil wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte und mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft.
Die Revision erweist sich als unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler ergeben.
Soweit die Revision beanstandet, das Urteil trage nicht die Unterschrift der erkennenden Richterin, so kann dieser Einwand nicht über die erhobene Sachrüge einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden. Vielmehr wäre die Verletzung des § 275 Abs. 2 S. 1 StPO im Wege der Verfahrensrüge einzuwenden gewesen.
Beim Fehlen einzelner Unterschriften ist die Verfahrensrüge zu erheben, da der Mangel seine Grundlage in einer verfahrensrechtlichen Norm (§ 275 Abs. 2 StPO) hat, ohne dass dem Urteilstext bereits aus sich heraus jegliche Legitimation abgesprochen werden kann (BGH, Beschluss vom 01.04.2010, 3 StR 30/10, zit. n. [...]; NStZ-RR 2003, 85; NStZ-RR 2000, 237; NStZ 1991, 297; OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 24; Meyer-Goßner/Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl. (2015), § 275, Rn. 28; KK/Greger, StPO, 7. Aufl. (2013), § 275, Rn. 68/69; BeckOK/Peglau, StPO, Stand: 15.01.2015, § 275, Rn. 24; BeckOK/Wiedner, StPO, Stand: 15.01.2015, § 338, Rn. 147a; Löwe-Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl. (2013), § 275, Rn. 70). Die Prüfung, ob es sich lediglich um einen Urteilsentwurf handelt, wird nur unter Vermittlung der zugrunde liegenden Verfahrensvorgänge ermöglicht. Die aus der Urteilsurkunde ersichtlichen Unterschriften genügen hierzu nicht (BeckOK/Wiedner, StPO, Stand: 15.01.2015, § 338, Rn. 147a). Hier kann im Wege des Freibeweises etwa geprüft werden, ob tatsächlich ein Verhinderungsfall vorlag (KK/Greger, StPO, 7. Aufl. (2013), § 275, Rn. 69).
Das vollständige Fehlen der Unterschrift ist hingegen einem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen (s. § 338 Nr. 7 StPO). Es liegt nur ein Urteilsentwurf vor, so dass keine sachlich-rechtliche Prüfung möglich ist. Dieser Fehler ist mit der allgemeinen Sachrüge geltend zu machen (BGH, Beschluss vom 21.11.2000, 4 StR 354/00, zit. n. [...]; OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2010, 250; OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 16.02.2010, 3 Ss 52/10, 19.06.2008, 2 Ss-OWi 277/08, und 26.09.2008, 2 Ss OWi 439/07; OLG Hamm, NStZ 2011, 238; NStZ-RR 2009, 24; OLG Bamberg, Beschluss vom 07.05.2013, 2 Ss OWi 493/13, BeckRS 2013, 10518; KG, Beschluss vom 27.11.2013, 3 Ws (B) 535/13 -122 Ss 149/13, BeckRS 2014, 12128; KK/Greger, StPO, 7. Aufl. (2013), § 275, Rn. 69; BeckOK/Peglau, StPO, Stand: 15.01.2015, § 275, Rn. 24; BeckOK/Wiedner, StPO, Stand: 15.01.2015, § 338, Rn. 147; Meyer-Goßner/Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl. (2015), § 275, Rn. 29; Löwe-Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl. (2013), § 275, Rn. 70).
Im Falle einer unzureichenden, bzw. nicht individualisierbaren Unterschrift ist ebenfalls die Sachrüge zu erheben (KG, Beschluss vom 27.11.2013, 3 Ws (B) 535/13 - 122 Ss 149/13, BeckRS 2014, 12128; OLG Köln, NStZ-RR 2011, 348 und Beschlüsse vom 11.01.2013, III-RVs 1/13, BeckRS 2013, 03857 und 18.11.2011, 1 RVs 267/11, BeckRS 2011, 28440; OLG Oldenburg, NJW 1988, 2812).
Die Sachrüge kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei fehlender Unterschrift nur dann begründet sein, wenn das Urteil überhaupt keine Unterschrift aufweist, weil sich bei nur fehlenden einzelnen Unterschriften aus der bloßen Anzahl der Unterschriften ohne Kenntnis der zugrundeliegenden Verfahrenstatsachen nicht beurteilen lässt, ob es sich tatsächlich nur um einen Entwurf gehandelt hat (BGH, Beschluss vom 21.11.2000, 4 StR 354/00, zit. n. [...]; dazu auch SK/Frister, StPO, 4. Aufl. (2014), § 275, Rn. 44). Setzt die Begründung der Unvollständigkeit damit die Kenntnis von Verfahrenstatsachen voraus (wie etwa den Grund der fehlenden Unterschrift), so bedar...