Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung zum Anwaltsnotar in Hessen. Absehen von der dreijährigen Wartezeit bei einer ungewöhnlich hohen Zahl an zu vergebenden Notarstellen. Kriterien für die Auswahl eines Notarbewerbers
Leitsatz (amtlich)
1. Die Nichteinhaltung der dreijährigen örtlichen Wartepflicht ist kein absolutes Ausschlusskriterium, sondern nach § 6 Abs. 2 BNotO in der bis zum 30. April 2011 geltenden Fassung nur eine Regelvoraussetzung. Die Landesjustizverwaltung hat daher unter dem Gesichtspunkt der Bestenauslese zu prüfen, ob einem Bewerber, der die örtliche Wartezeit erfüllt, jedoch bei der Qualifikation nur eine schwache Leistung vorweisen kann, ein weiterer Bewerber gegenübersteht, welcher deutlich bessere Qualifikationspunkte aufweisen kann und aus diesem Grunde ausnahmsweise vorzuziehen ist.
2. Ein außergewöhnlicher Sachverhalt, der die Nichteinhaltung der dreijährigen Wartezeit rechtfertigt, liegt bereits dann vor, wenn eine ungewöhnlich hohe Anzahl der zu vergebenden Notarstellen vorliegt, der nur eine geringfügig höhere Zahl von Bewerbern gegenübersteht. In einem solchen Fall muss zwangsläufig die Zeit der örtlichen Zulassung reduziert werden, um überhaupt eine ausreichende Anzahl von wenigsten ausreichend qualifizierten Bewerbern zu erhalten.
3. Kriterien für die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Notar bei Erfüllung der Wartezeit zu zwei Dritteln, wenn der übergangene Bewerber im Bereich praktischer Erfahrung und fachspezifischer Fortbildung keinerlei Punkte aufweist.
Normenkette
BNotO § 6 Abs. 2 Nr. 2 Fassung: 200-11-30, Abs. 3 Fassung: 2000-11-30, § 6 b Abs. 4, §§ 111, 111b Abs. 1, § 120 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 50.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beklagte schrieb im Justizministerialblatt für das Land Hessen vom 1.7.2010 insgesamt 47 Notarstellen im Amtsgerichtsbezirk Frankfurt am Main gemäß § 6 b BNotO in Verbindung mit Abschnitt A I Nr. 2 a des Runderlasses über die Ausführung der Bundesnotarordnung vom 25.2.1999 (JMBl. S. 222) in der Fassung vom 26.10.2009 (JMBl. S. 563) aus.
Zu der ungewöhnlichen Vielzahl von ausgeschriebenen Stellen kam es aufgrund der Änderung des Runderlasses im Jahr 2009 bei gleichzeitigem Eintritt zahlreicher Notare in den Ruhestand. Auf diese Stellen bewarben sich neben anderen Konkurrenten der Kläger und die Beigeladenen. Der Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - Landesjustizverwaltung - stellte fest, dass nach Aussonderung der Bewerbungen, bei welchen die Grundvoraussetzungen wie örtliche Zulassung oder der zu absolvierende Grundkurs nicht vorlagen, nur wenig mehr Bewerber als offene Stellen vorhanden waren und dass nicht alle diese Bewerber die örtliche Wartezeit des § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO vollständig erfüllt hatten. Der Beklagte entschied sich dafür, auch Bewerber zuzulassen, welche die Wartezeit nur teilweise erfüllt hatten. Hierzu zählte der Beigeladene zu 3), welcher seit 2003 als Rechtsanwalt in Stadt1 und seit August 2009 als Rechtsanwalt in Stadt2 zugelassen ist.
Im Punktbewertungsverfahren nach Abschnitt A I Nr. 2 a des Runderlasses über die Ausführung der Bundesnotarordnung vom 25.2.1999 in der Fassung vom 26.10.2009 erhielt der Kläger mit 70,3 Punkten den 49. Rang und der Beigeladene zu 3) mit 98,25 Punkten den 38. Rang (Bl. 22 d. A.).
Mit Schreiben vom 5.8.2011 (Bl. 39 d. A.), zugegangen am 9.8.2011, teilte der Beklagte dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, seiner Bewerbung nicht zu entsprechen und die Stellen mit anderen einzeln aufgeführten Bewerbern zu besetzen, welche mehr Punkte erhalten hätten, darunter auch mit dem Beigeladenen.
Mit seiner Klage rügt der Kläger die Auswahlentscheidung des Beklagten als rechtswidrig. Der Kläger ist der Auffassung, bei dem Beigeladenen zu 3) sei die erforderliche örtliche Wartezeit nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO nicht gewahrt. Die Berücksichtigung des Beigeladenen zu 3) bei der Auswahlentscheidung sei rechtswidrig. Ein hinreichender Grund zur Abweichung von der Wartezeit in Form von außergewöhnlichen Verhältnissen bestehe nicht.
Der Beigeladene zu 3) sei zwar seit August 2009 in Stadt2 zugelassen, jedoch weiterhin unter der Adresse in Stadt1 beruflich tätig gewesen. An diese Adresse seien auch die Bescheinigungen für Fortbildungsveranstaltungen verschickt worden. Der Beigeladene zu 3) sei weder im Telefonbuch von Stadt2 zu finden, noch gebe es ein Briefkasten- oder Klingelschild. Er habe von August bis Dezember 2009 342 Urkundsgeschäfte und im Januar 2010 18 weitere Urkundsgeschäfte für einen Notar in Stadt3 erledigt. Die Bescheinigungen für Fortbildungen seien an die Stadt1-Anschrift versa...