Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes i.S.v. § 19 GWB in Bezug auf einen Gasversorger.
Normenkette
GWB § 19
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.03.2007; Aktenzeichen 2-6 O 469/06) |
Nachgehend
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagte wegen einer vermeintlich missbräuchlichen Preisspaltung für Erdgaslieferung auf Unterlassung in Anspruch.
Die Beklagte ist eine Vertriebsgesellschaft für Erdgas im Netzgebiet der A (ABC AG) und der B O1 AG. Die A ist an der Beklagten zu 78 %, die B O1 AG zu 22 % beteiligt. Zur A gehört als hundertprozentige Tochter die C GmbH & Co. KG (im Folgenden C KG), die ebenfalls Erdgas vertreibt. Ihr Betriebsgebiet deckt sich mit dem der Beklagten teilweise (Region um O2). Die C KG vertreibt Gas auch über die Netze der D und der F KG. Bei einer Jahresabnahme von 22.000 kWh beträgt der Nettoabgabepreis 4,54 Cent/kWh.
Die Kläger beziehen mit einer Jahresabnahme von ca. 22.000 kWh Erdgas von der Beklagten. Sie haben behauptet, die Beklagte verlange für das von ihr gelieferte Erdgas 5,21 Cent/kWh und liege damit um 12,6 % über den Preisen der C KG. Bei einem durchschnittlichen Gasverbrauch von 22.000 kWh im Jahr ergebe sich ein Preisunterschied von 150 EUR.
Sie meinen, das Verhalten der Beklagten erfülle die Voraussetzungen einer missbräuchlichen Preisspaltung nach § 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 GWB.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, von den Klägern ungünstigere Entgelte für Erdgaslieferungen zu fordern, als sie die C GmbH & Co. KG von gleichartigen Abnehmern fordert, die an das Erdgasverteilnetz der F GmbH & Co. KG, das Erdgasverteilnetz der D. O3 AG oder das Erdgasverteilnetz der ABC AG in O2 angeschlossen sind.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil der Klage stattgegeben.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei zulässig, da die Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis hätten und nicht auf die Möglichkeit eines anderweitigen Energiebezugs verwiesen werden könnten.
Der Beklagten sei die Preispolitik der C KG zuzurechnen, da beide Unternehmen wie ein Unternehmen zu behandeln seien (§ 36 Abs. 2 GWB).
Räumlich relevanter Markt i.S.v. §§ 19 GWB sei der Markt der Gasversorger im Netzgebiet der A, da es an Austauschmöglichkeiten mit anderen Energieversorgern fehle und der noch fehlende Durchleitungswettbewerb zur Begrenzung des relevanten Marktes zwinge. Die Beklagte sei marktbeherrschend, da sie mehr als 1/3 des relevanten Marktes versorge. Die Höhe des tatsächlichen Preisunterschieds hat das LG offen gelassen, weil die Beklagte unstreitig höhere Preise fordere und ihrer Darlegungs- und Beweislast zur Rechtfertigung dieser Preisunterschiede nicht nachgekommen sei. Da somit keine Gründe für eine unterschiedliche Preisgestaltung vorlägen, seien keine weiteren Zuschläge bei der Gegenüberstellung der Preise anzusetzen. Auch ein Erheblichkeitszuschlag sei nicht vorzusehen, weil die Preise eines in Monopolstellung anbietenden Versorgungsunternehmens zu beurteilen seien. Danach genüge für die Annahme einer missbräuchlichen Preisbildung jede Preisdifferenz (BGH KVR 4/94 - Weiterverteiler).
Wegen der weiteren Feststellungen zum Sach- und Streitstand erster Instanz sowie der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das Urteil vom 7.3.2007 Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Beklagten. Sie rügt:
Das LG habe rechtsirrig ein Rechtsschutzbedürfnis der Kläger angenommen. In der Sache habe es die Beklagte zu Unrecht für marktbeherrschend gehalten und die tatsächliche Höhe der Preisdifferenz nicht festgestellt. Sie, die Beklagte, fordere in ihrem Versorgungsgebiet keine ungünstigeren Entgelte als sie selbst bei vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordere. Das Versorgungsgebiet der C KG sei mit dem der Beklagten nicht vergleichbar. Auch handele es sich bei den Kunden beider Unternehmen nicht um "gleichartige Abnehmer". Schließlich habe das LG die Beweislast für die Darlegung von Rechtfertigungsgründen verkannt und es in rechtsfehlerhaften Weise unterlassen, den vom BGH in ständiger Rechtsprechung geforderten Erheblichkeitszuschlag anzusetzen. Darüber hinaus habe es seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt, die mündliche Verhandlung unter Verletzung des § 256 ZPO nicht wieder eröffnet und ihren Vortrag zur sachlichen Rechtfertigung gem. § 296a ZPO zu Unrecht ausgeschlossen.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des am 7.3.2007 verkündeten Urteils des LG Frankfurt/M. die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie treten der Berufung entgegen und verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags.
Wegen der weitergehenden Feststellungen im ersten Rechtszug sowie der Einzelheiten des Sach- und Streitstands und der Begründung des Urteils wird auf die angefochtene Entscheidung vom 7.3.2007 in Verbindung...