Normenkette
InsO § 343; ZPO § 240
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3-9 O 96/04) |
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen des Abhandenkommens von Transportgut in Anspruch, mit Senatsurteil vom 6.6.2006 ist das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach festgestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 26.6.2006 (Bl. 369 bis 378 d.A.) hat die Beklagte dargelegt, dass über ihr Vermögen bereits am 15.9.2005 ein Verfahren nach Chapter 11 des US-Bankruptcy Code (im Folgenden: Chapter 11 B. C.) eröffnet worden ist und im Hinblick hierauf beantragt, das Ruhen des Verfahrens auszusprechen.
Die Klägerin ist dem Antrag entgegengetreten, das Verfahren nach Chapter 11 B. C sei kein Insolvenzverfahren i.S.v. § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO.
II. Da zwischen den Parteien in der Sache streitig ist, ob das Verfahren unterbrochen ist, ist dies, weil der Senat die Unterbrechung bejaht, durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) auszusprechen (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1981 - II ZR 129/80, BGHZ 82, 209, = MDR 1982, 383 Juris-Rz. 21; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., vor § 239, Rz. 3).
Die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens, das nach dem ihm zugrundeliegenden Recht - dem Konkursstatut - eine individuelle Rechtsverfolgung in Bezug auf das in Deutschland belegene Vermögen des Schuldners untersagt, hat nach Inkrafttreten der Vorschrift des § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO am 20.3.2003, die ohne Übergangsregelung mit dem Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14.3.2003 (BGBl. I 345) eingefügt worden ist, zur Folge, dass ein anhängiger inländischer Rechtsstreit unterbrochen wird, der die Insolvenzmasse betrifft.
Diese Voraussetzung ist im Hinblick darauf erfüllt, dass am 15.9.2005 ein Verfahren nach Chapter 11 B. C. gegen die Beklagte eröffnet worden ist, das gem. § 362 B. C. universale Geltung hat (vgl. Taupitz, ZZP 105 (1992), 218 (225)).
Das zur Beurteilung heranzuziehende us-amerikanische Recht konnte der Senat auf der Grundlage vorliegender Veröffentlichungen (2003 Collier Pamphlet Edition Part 1 Bankruptcy Code-Text And Legislative History Of Bankruptcy Reform Act Of 1978, As Amended Through November 2002, And Related Statutory Provisions, LexisNexis, Matthew Bender) gem. § 293 ZPO feststellen, ohne dass es der Einholung sachverständigen Rates bedurft hätte, weil die Parteien die getroffenen Feststellungen des fremden Rechts nicht in Frage gestellt und auch keine abweichende Rechtspraxis geltend gemacht, vielmehr im Rechtsstreit auf der Grundlage der Regelungen des Chapter 11 B. C. argumentiert haben.
Dieses Verfahren ist als ausländisches Insolvenzverfahren anerkennungsfähig (§ 343 Abs. 1 Satz 1 InsO). Das Verfahren, das freiwillig oder unfreiwillig eingeleitet werden kann, führt mit Antragstellung zum Ausschluss anderer Verfahren der Gläubiger gegen das Vermögen des Schuldners ("automatic stay"), der Schuldner behält Besitz und Kontrolle über sein Vermögen und erfüllt selbst alle Aufgaben und Pflichten eines trustee (vgl. Hay, US-Amerikanisches Recht, 3. Aufl. 2005, Rz. 625; Smid/Rattunde, Der Insolvenzplan, 2. Aufl. 2005, Rz. 2.37; Jander, RIW/AWD 1981, 744 (750).
Das Gericht ernennt ein Gläubigerkomitee; der Schuldner muss einen Vorschlag zur Reorganisierung oder Liquidation einbringen und dessen Annahme binnen 180 Tagen nach Antragstellung zu erreichen suchen, anderenfalls ein solcher Plan von jeder betroffenen Partei erstellt werden kann; ein Reorganisationsplan teilt die Gläubiger in Gruppen ein und legt die Rechte einer jeden fest; Gruppen, die sich benachteiligt fühlen, können über den Plan abstimmen, wobei besondere Abstimmungsregeln gelten; stimmen nicht alle Gläubigergruppen zu, trifft das Gericht eine eigene Entscheidung auf der Grundlage dessen, was es für recht und billig hält, kann aber auch nicht zustimmende Parteien durch Beschluss an den Schuldnerplan binden (Hay, a.a.O.; vgl. auch Jander, a.a.O., S. 750, 751; vgl. zum Ablauf des Sanierungsverfahrens auch Riesenfeld, KTS 1983, S. 85 ff.).
Ob dieses Verfahren nach deutschen Rechtsgrundsätzen als Insolvenz[Konkurs]verfahren zu qualifizieren ist, wird nicht einheitlich beantwortet.
In einer älteren Entscheidung hat der BGH dies unterstellen können (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.1990 - IX ZR 27/89, MDR 1990, 622 = NJW 1990, 990, Juris-Rz. 15), später hat er die Frage, ob der Antrag auf Einleitung eines Verfahrens nach Chapter 11 B. C. einem Konkursantrag gem. § 30 KO gleichsteht, offen gelassen (vgl. Urteil vom 11.7.1991, - IX ZR 230/90, ZIP 1991, 1014, Juris-Rz. 20 ff.). Das OLG Hamburg (OLG Hamburg v. 10.5.1990 - 6 U 59/90, IPRax 1992, 170) hat die Frage verneint, weil die nach deutschem Recht notwendigen Voraussetzungen einer Konkurseröffnung, nämlich Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, nicht stets vorliegen müssten und auch die Organe der Gesellschaft regelmäßig verfügungsberechtigt blieben.
Im Schrifttum ist die Anerkennungsfähigkeit des amerikanischen
Reorganisationsverfahrens vereinzelt für den Fall, dass Konkurs-, nach heutigem Rec...