Entscheidungsstichwort (Thema)
Unlautere Absprache zwischen Arzt und Apotheker über die Zuführung von Patienten
Leitsatz (amtlich)
1. Als "Zuführung" von Patienten eines Arztes zu einem Apotheker i.S.v. § 11 ApoG ist jede Verlautbarung in den Praxisräumen (hier: auf einem im Wartezimmer angebrachten Bildschirm) einzustufen, die aus der Sicht des Patienten als gezielte Werbung des Arztes für eine bestimmte Apotheke verstanden wird. Eine - zugleich unlautere (§ 4 Nr. 11 UWG) - "Absprache" über derartige Zuführung kann auch dadurch getroffen werden, dass ein Dritter (hier: der Betreiber eines sog. "TV Wartezimmer") mit Wissen und Wollen von Arzt und Apotheker für eine solche Verlautbarung sorgt.
2. In dem unter Ziff. 1. dargestellten Fall haftet auch der Dritte - ohne selbst Normadressat des § 11 I ApoG zu sein - als (Mit-)Täter für eine unlautere geschäftliche Handlung, soweit sein Tatbeitrag über eine bloße Anstiftung oder Beihilfe hinausgeht.
Normenkette
ApoG § 11 Abs. 1; UWG § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 17.12.2012; Aktenzeichen 5 O 29/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.12.2012 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Limburg wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 28.000 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte strahlt unter der Bezeichnung "TV Wartezimmer" ein Programm auf Bildschirmen aus, die in Wartezimmern von Arztpraxen angebracht sind. Dabei wird neben sonstigen Beiträgen auch Werbung von Vertragspartnern der Beklagten wiedergegeben, die - wie der Beklagtenvertreter in der Senatsverhandlung klargestellt hat - bei der Klägerin einen Sendeplatz bei einem bestimmten Arzt buchen. Die Beklagte arbeitet dabei mit der Fa.A. GmbH & Co. KG zusammen, die die für die Ausstrahlung erforderlichen Verträge mit den Betreibern der Arztpraxen schließt. Die Beklagte warb für "TV Wartezimmer" mit einem Prospekt gemäß Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 40 ff. d.A.) und einem Internetauftritt gemäß Anlage K 2 zur Klageschrift (Bl. 42 f. d.A.). Wegen des Inhalts der Werbung wird auf die genannten Anlagen sowie die Ausführungen unter II. verwiesen.
Die Klägerin, die satzungsgemäß unlauteren Wettbewerb bekämpft, sieht in der Werbung der Beklagten und in der ankündigungsgemäßen Ausstrahlung von Werbespots für Apotheken einen - zugleich unlauteren (§ 4 Nr. 11 UWG) - Verstoß gegen das sich aus § 11 I ApoG ergebende Verbot von Absprachen zwischen Apothekern und Ärzten über die Zuführung von Patienten sowie einen Verstoß gegen § 20 II Nr. 4 der Berufsordnung der Bayerischen Landesapothekerkammer. Auf die erfolglos gebliebene Abmahnung hat die Beklagte u.a. mitteilen lassen, die beanstandete Werbung bereits seit längerem nicht mehr zu verwenden; vielmehr habe sie ihr Geschäftsmodell dahin geändert, dass den Apothekern keine Exklusivität mehr eingeräumt werde.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO), mit dem das LG die Beklagte unter Androhung der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO verurteilt hat,
1. Apothekern Werbung im Rahmen eines sog. "Wartezimmer-TV" anzubieten und/oder anbieten zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 1,
und/oder
2. im Rahmen eines sog. "Wartezimmer-TV", wobei - wie es aus der Anlage K 1 und der Anlage K 2 ersichtlich ist - auf einem Bildschirm im Wartezimmer von Arztpraxen Werbung ausgestrahlt wird, für Apotheker zu werben und/oder werben zu lassen.
Weiter hat das LG die Beklagte zur Zahlung eines Aufwendungsersatzes für die Abmahnung von 219,35 EUR nebst Zinsen verurteilt.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihren Standpunkt, dass das angegriffene Verhalten rechtlich nicht zu beanstanden sei. In der Senatsverhandlung hat der Beklagtenvertreter erklärt, die Verteidigung der Werbung gemäß Anlage K 1 erfolge ausschließlich zum Zwecke der Rechtsverteidigung im vorliegenden Verfahren.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Klägerin stehen die vom LG zuerkannten Unterlassungsansprüche aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 III Nr. 2 UWG zu, weil die Beklagte für eine Zuwiderhandlung gegen das in § 11 I ApoG enthaltene, an Apotheker gerichtete Verbot geworben hat, mit Ärzten Absprachen über die Zuführung von Patienten zu treffen (Ziff. 1. des Unterlassungstenors); darüber hinaus besteht eine Erstbegehungsgefahr dafür, dass die Beklagte eine Zuwiderhandlung gemäß dieser Ankündigung begehen wi...