Leitsatz (amtlich)
Bei einem Kaufvertrag, der über das Internet „online” geschlossen wurde, kann der Verkäuferin ein Anfechtungsrecht nach § 120 BGB zustehen, wenn der Kaufpreis, zu dem der Käufer bestellt hat, infolge einer Formeländerung in der Software des Providers niedriger dargestellt wurde, als er tatsächlich war.
Normenkette
BGB §§ 120, 145, 433
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Aktenzeichen 6 O 188/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.2.2002 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte betreibt ein Online-Kaufhaus für Computer und Computer-Zubehör. Sie hält unter einer Internet-Adresse ein Warensortiment aus diesem Bereich zur Online-Bestellung bereit.
Am 25.4.2001 bestellte der Kläger bei der Beklagten über das Internet einen Computer der Marke Apple Powermac G4 733 zu einem Bruttopreis von 93,55 DM. Darüber hinaus orderte er am selben Tag einen Computer-Monitor „Apple Studio Display 15.1 Zoll TFT Flat Panel” sowie einen weiteren Computer „Apple Powermac G4” zu einem Gesamtbruttopreis von 106,84 DM. Bei der Abgabe seiner Bestellung bezog sich der Kläger auf Preise, die von der Beklagten auf ihrer Homepage unter der Rubrik „Preisbrecherangebote” für die vorgenannten Produkte in einer entspr. Preisliste zum Zeitpunkt der Abgabe der Bestellung genannt worden waren. Tatsächlich beliefen sich die Nettopreise der bestellten Geräte auf 1.809,48 DM für den Computer-Monitor und auf 6.550,86 DM bzw. 7.214,66 DM für die beiden Rechner. Zu den Preisunterschieden ist es gekommen, weil aufgrund einer Formeländerung in der Software des Providers bei der Übertragung der Daten an diesen zusätzlich standardmäßig zwei Kommastellen berücksichtigt wurden. Durch diese zusätzliche Kommasetzung verringerte sich der Preis jeden Artikels auf 1 % des von der Beklagten tatsächlich geforderten Betrages.
Die vom Kläger aufgegebenen Bestellungen wurden von der Beklagten sofort mit zwei Mails bestätigt. Zwischen Eingang der Bestellungen und Absendung der Bestätigungen lagen jeweils 1 Minute. Wegen des Inhalts dieser Schreiben wird auf Bl. 7 und 8 verwiesen.
Am Folgetag wies die Beklagte den Kläger in einer E-Mail darauf hin, dass ihm falsche Preise für die von ihm bestellten Produkte übermittelt worden seien. Ferner wurden dem Kläger die richtigen Preise mitgeteilt und angefragt, ob auch unter Zugrundelegung dieser er an der Bestellung festhalte.
Mit Schreiben vom 15.6.2001 forderte der Kläger die Lieferung der bestellten Geräte zum Preis von 200,39 DM, was die Beklagte mit Schreiben vom 15.6.2001 ablehnte.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, entspr. dem Inhalt der Eingangsbestätigungen der Beklagten seien über die genannten Gegenstände Kaufverträge zustande gekommen. Er habe an den angegebenen Preisen für die Gegenstände nicht gezweifelt, da diese ausdrücklich in der Rubrik „Preisbrecherangebote” von der Beklagten angeboten worden seien.
Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, wirksame Kaufverträge seien mit dem Kläger nicht zustande gekommen. Dem Kläger, so hat sie behauptet, sei nur eine „temporäre Auftragsbestätigung” übermittelt worden. Diese Bezeichnung befände sich in der Kopfzeile zusammen mit der Auftragsnummer, sie sei jedoch von diesem durch Ausblendung unterdrückt worden, was der Kläger bestritten hat. Die Funktion dieses Schreibens sei es allein, dem Kunden den Eingang seiner Bestellung zu bestätigen. Überdies hätten der Bestellung des Klägers ihre im Internet abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde gelegen, in denen darauf hingewiesen werde – was unstreitig ist –, dass das Angebot freibleibend sei und Irrtümer vorbehalten seien. Außerdem werde auf die Preise des neuesten Katalogs hingewiesen.
Die Beklagte hat außerdem gemeint, dem Kläger hätte sich aufdrängen müssen, dass die ihm übermittelten Preise nicht korrekt sein könnten. Diese hätten bei 1 % des von ihr tatsächlich geforderten Preises gelegen. Dieser Preis sei bereits geringer als der marktübliche Preis, da es sich um Sonderangebote gehandelt habe.
In dem am 15.2.2002 verkündeten Urteil hat die 6. Zivilkammer des LG Wiesbaden die auf Lieferung der drei bestellten Artikel Zug um Zug gegen Zahlung von 200,39 DM gerichtete Klage abgewiesen. Es hat gemeint, das Verhalten des Klägers stelle sich als unzulässige Rechtsausübung dar. Dem Kläger sei erkennbar gewesen, dass die angegebenen Bruttopreise in einem groben Missverhältnis zu der angebotenen Ware gestanden hätten. Vor Abgabe seines Angebots hätte unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen die Verpflichtung des Klägers bestanden, die Beklagte auf den von ihm erkannten Fehler hinzuweisen.
Gegen diese ihm am 27.2.2002 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 26.3.2002 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.5.2002 ...