Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Mangelbeseitungskosten als Schaden im Kaufrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Der Käufer einer Immobilie, der Unwirksamkeit des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses wegen arglistigen Verschweigens verdeckter Mängel durch den Verkäufer geltend macht, muss lediglich die objektiven Umstände darlegen und gegebenenfalls nachweisen, die einen hinreichend sicheren Schluss auf arglistiges Verschweigen bekannter Umstande zulassen.
2. Auch der Käufer einer mangelhaften Sache kann seinen Schaden nicht auf der Grundlage der fiktiven Mangelbeseitigungskosten berechnen, wenn er die Sache behält. Dies gilt insbesondere, wenn die fiktiven Mangelbeseitigungskosten den Sachwert des Gebäudes erreichen oder übersteigen. Ebenso wie im Werkvertragsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 22.2.2018 - VII ZR 46/17) ist auch im Kaufrecht aus Gründen des allgemeinen vertraglichen Schadensrechts eine solche Abrechnung mit dem Verbot der Überkompensation unvereinbar
Normenkette
BGB § 433 Abs. 1, § 434 Abs. 1, § 444; BGH § 437 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 06.10.2017; Aktenzeichen 2-25 O 143/17) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6.10.2017 und das diesem zugrunde liegende Verfahren aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsrechtszugs an das Landgericht zurückverwiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird wegen der Ermittlung des Schadens zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Schadensersatz i.H.v. 59.624,26 EUR beziffert zuzüglich Nebenforderungen sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht weiterer Schäden aus einem Kaufvertrag über ein Grundstück mit der Behauptung der arglistigen Täuschung über Baumängel beim Erwerb in Anspruch. Das in Stadt1 gelegene Grundstück ist 460 m2 groß und mit einem im Jahre 1938 errichteten Gebäude bebaut. Der vereinbarte und bezahlte Kaufpreis beträgt 319.000 EUR.
Der notarielle Kaufvertrag vom 22.7.2015 (Anl. K1) enthält in § 4 Abs. 3 und Abs. 4 einen Gewährleistungsausschluss für die Beschaffenheit: "Der Vertragsgegenstand geht ohne jede Gewähr für seine Beschaffenheit, Güte und Größe über. Verkäufer versichert, dass ihm wesentliche, auch versteckte Mängel nicht bekannt sind." Im Übrigen wird auf die Klausel Bezug genommen.
Die 19XX geborene Beklagte, die das Gebäude bis zur Veräußerung des Grundstücks jahrzehntelang bewohnt hatte, wurde bei Abschluss des notariellen Vertrages durch ihren Sohn vertreten.
Das Objekt war von einem von der Beklagten beauftragten Makler angeboten worden ohne jeden Hinweis auf gravierende Mängel und nicht als ein Abrissobjekt. Es wurde vielmehr als voll bewohnbar mit Ausbaureserve im Obergeschoss dargestellt (Exposé Anl. K2).
Dem Abschluss des Kaufvertrages waren ausführliche Besichtigungen des Grundstücks und des Gebäudes durch die Kläger vorausgegangen.
Nach Übergabe des Grundstücks am 29.2.2016 stellten die Kläger fest, dass die Dachtreppe und der Dachstuhl massiv vom Holzbock befallen waren. Teile hiervon waren während der Besichtigung mit Folie abgeklebt.
Das Gebäude war zum Zeitpunkt der Übergabe außerdem massiv vom Kellerschwamm befallen, weil Teile der Wände in der Küche und an einem Kamin im Obergeschoss feucht waren. Die betroffene Wand in der Küche war zum Zeitpunkt der Besichtigung mit Korkplatten verkleidet und mit einer Eckbank zugestellt.
Mit Privatgutachten vom 22.6.2016 im Auftrag der Kläger stellte der Sachverständige SV1 im Dachstuhl massiven, akuten Insektenbefall (Holzbock) und braunen Schwamm in der Küche fest (Anl. K6). Dem Gutachten zufolge gab es auch Anzeichen für frühere Behandlungsversuche mit Holzschutzmittel. Der Sachverständige SV1 schätzte die Kosten der Sanierung des Dachstuhls auf 51.350 EUR netto und die Kosten für die Sanierung des Feuchtigkeitsschadens in der Küche auf 6.300 EUR netto. Die Kosten für die Sanierung von Feuchtigkeitsschäden am Schornstein und an der Decke zwischen Obergeschoss und Dachgeschoss schätzen die Kläger auf 5.000 EUR brutto. Für die Tätigkeit des Sachverständigen SV1 entstanden ihnen Auslagen i.H.v. 1.974,16 EUR brutto (Anl. K7). Die Kläger berechnen ihren Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der voraussichtlichen Sanierungskosten und der ihnen entstandenen Auslagen.
Die Kläger haben das Gebäude bezogen und mit Renovierungsarbeiten begonnen.
Die Kläger haben behauptet, die Beklagte habe die Abklebungen an der Dachtreppe und im Dachstuhl bei der Besichtigung mit ihrem Schutz vor Splittern erklärt (Beweis Zeugnis A, Bl. 4). Dies sei eine unzutreffende Schutzbehauptung. Die Beklagte habe aus eigener Anschauung Kenntnis von dem Schädlingsbefall gehabt.
Ferner haben die Kläger behauptet, es habe mehrere erfolglose Versuche der Beklagten gegeben, die Feuchtigkeit in den Wänden zu beseitigen. Die Beklagte habe von der Feuchtigkeit in der Wand der Küche unterhalb des Balkons gewusst und einer Nachbarin d...