Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückversetzung eines Vergabeverfahrens wegen unvollständiger Angaben zur Teilnahmemöglichkeit an einem Submissionstermin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unvollständige Informationen über Meldemodalitäten für einen Submissionstermin stellen keinen schwerwiegenden Grund im Sinne von § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A a.F. dar.

2. Die Zurückversetzung eines Verfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe kann entsprechend den Grundsätzen zur Aufhebung eines Verfahrens nach § 17 VOB/A a.F. rechtswidrig, aber trotzdem wirksam sein, sofern sie auf vernünftige, sachliche und nicht diskriminierende Gründe gestützt wird.

 

Normenkette

BGB § 1004; VOB/A § 17

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.12.2016; Aktenzeichen 2-4 O 179/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des LG Frankfurt am Main - 4. Zivilkammer - vom 21.12.2016 abgeändert, die einstweilige Verfügung vom 15.7.2016 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

 

Gründe

I. Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) schrieb die Leistung "Erneuerung der Flucht- und Rettungswegkennzeichnung inkl. Sicherheitsbeleuchtung" unter der Vergabe Nr ... öffentlich aus. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Es handelt sich um eine Unterschwellenvergabe. Im Rahmen des Aufforderungsschreibens zur Abgabe eines Angebotes fand sich zum Eröffnung-/Einreichungstermin folgende Angabe: "Datum: 09.06.2016, Uhrzeit: 11:00 Uhr, Ort: Bank 1, Submissionsstelle, Straße 1, Stadt1, Zimmer..." (Bl. 15). Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) gab das günstigste Angebot ab.

Zum Submissionstermin fanden sich mehrere Bietervertreter, u.a. die Klägerin, ein. Sie meldeten sich nicht an der Hauptpforte der Hauptverwaltung in der Straße1, sondern direkt am Empfang des ebenfalls unter dieser Anschrift befindlichen gesonderten Gebäudes, dem so genannten A, in welchem sich die in der Bekanntmachung angegebene Zimmernummer "..." befand. Der externe Sicherheitsdienst des sog. A hatte keine Kenntnis von dem Termin und gewährte den Bietern keinen Einlass. Ein anderer Bieter rügte mit Schreiben vom 14.06.2016 die fehlende Möglichkeit, an dem Submissionstermin trotz Anwesenheit vor Ort teilnehmen zu können (Bl. 130).

Nachfolgend übersandte die Beklagte die Niederschrift des Submissionstermins an alle Bieter. Mit Schreiben vom 17.6.2016 teilte sie zudem mit, dass die Ausschreibung in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzt werde, da aufgrund von Missverständnissen mehreren Bietern die Teilnahme an dem Submissionstermin nicht möglich gewesen sei. Sie forderte mit Schreiben vom 20.6.2016 erneut zur Angebotsabgabe auf. Die Klägerin bewarb sich neben zwei anderen Bietern und gab nunmehr nur noch das zweitgünstigste Angebot ab.

Mit Schreiben vom 23.6.2016 rügte die Klägerin die Zurückversetzung; diese Rüge wurde mit Schreiben vom 27.6.2016 zurückgewiesen. Nach Teilnahme am zweiten Submissionstermin reichte die Klägerin unter dem 14.7.2016 den streitgegenständlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein, mit welchem sie beantragte, der Beklagten zu untersagen,

"im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung zur Erneuerung der Flucht- und Rettungswegkennzeichnung (...) einen Vertrag abzuschließen" (Bl. 2).

Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Zurückversetzung der Ausschreibung vergabewidrig erfolgt sei. Sollten die Vorgaben des § 14 Abs. 1 S. 1 VOB/A beim ersten Submissionstermin nicht eingehalten worden sein, seien dadurch keine Bieterrechte verletzt worden. Die Beklagte habe auch gar nicht Vorgaben des § 14 VOB/A missachtet; es habe vielmehr allein am eigenen Fehlverhalten der Bieter gelegen, dass sie am Submissionstermin nicht hätten teilnehmen können. Zudem hätten alle Bieter durch die Einsichtnahme in die Niederschrift des Submissionstermins Kenntnis über den Termin erhalten. Die Zurückversetzung der Ausschreibung habe schließlich eklatant gegen den vergaberechtlichen Grundsatz des Geheimwettbewerbs verstoßen.

Ihr stehe auch ein Verfügungsgrund zur Seite, da sie erst nach dem zweiten Submissionstermin die Gefahr der Rechtsvereitelung erkannt habe und erkennen konnte.

Gegen die antragsgemäß erlassene einstweilige Verfügung hat die Beklagte fristgerecht Widerspruch eingelegt. Das LG hat nachfolgend die einstweilige Verfügung aufrechterhalten und zur Begründung wie folgt ausgeführt:

Die Klägerin habe einen Anspruch auf Unterlassen eines vergaberechtswidrigen Vertragsschlusses mit der B oder einem anderen Bieter. Ein Grund für die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens, auf welche § 17 VOB/Art entsprechend anzuwenden sei, habe nicht vorgelegen. Grundsätzlich gelte ein strenger Maßstab. Die fehlende Teilnahmemöglichkeit der Bieter an dem Submissionstermin stelle keinen beachtlichen Fehler von derartigem Gewicht dar. Die Teilnahme sei allein optional. Schließlich hätten alle Bieter durch die Protokollübersendung Kenntnis von dem Termin erlangt.

...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge