Entscheidungsstichwort (Thema)

Informationspflichten des Jugendamts gegenüber den Adoptionsbewerbern im Hinblick auf einen Alkoholmissbrauch der Kindsmutter während der Schwangerschaft

 

Normenkette

AdVermiG §§ 7, 9; BGB § 839; GG Art. 34

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.10.2012)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 10.10.2012 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Kläger nehmen die beklagte Stadt als Trägerin des Jugendamtes wegen der Verletzung von Amtspflichten bei der Adoptionsvermittlung der Kinder A und B auf Ersatz materiellen Schadens in Anspruch und begehren die Feststellung der Freistellungspflicht von künftigen Unterhaltsansprüchen und Kosten für ihre beiden behinderten Adoptivkinder sowie deren etwaige Abkömmlinge.

Im Jahre 1998 adoptierten der Kläger zu 1) und seine am ... 2014 verstorbene Ehefrau C die am ... 1995 geborene A und den am ... 1996 geborenen B; beide Kinder befanden sich vorher bereits zur Adoptionspflege bei dem Kläger zu 1) und seiner Ehefrau.

Im Jahr 2008 wurde B vom Versorgungsamt zu 100 % als behindert eingestuft (Anlage 4, Bl. 33 f. d.A.); im Jahr 2010 auch A (Anlage 5, Bl. 36 f. d.A.).

Eine durch den Kläger zu 1) und seine Ehefrau im Oktober 2010 in Auftrag gegebene Begutachtung der Kinder führte zu dem Ergebnis, dass beide Kinder an "Fetalen-Alkohol-Spektrum Störungen" leiden, d.h. an lebenslangen organischen körperlichen und geistig-emotionalen Behinderungen (Anlagen 6 und 7, Bl. 38 ff. d.A.).

Die Kläger haben geltend gemacht, die Bediensteten der Beklagten hätten im Zusammenhang mit der Adoption der Kinder ihnen obliegende Amtspflichten verletzt, indem sie es unterlassen hätten, den Kläger zu 1) und seine Ehefrau über den Alkoholkonsum der Kindesmutter während der Schwangerschaften aufzuklären bzw. zu ermitteln, ob die Kindesmutter in der Schwangerschaft Alkohol konsumiert hatte.

Sie haben unter Beweisantritt behauptet, die Kindesmutter, die Zeugin Z1, habe während der Schwangerschaften offenkundig und häufig Alkohol getrunken, wovon die zuständigen Jugendamtsmitarbeiterinnen, Frau Z2 und Frau Z3, Kenntnis gehabt hätten.

Die Beklagte hat ein amtspflichtwidriges Verhalten ihrer Bediensteten im Zusammenhang mit der Adoptionsvermittlung in Abrede gestellt und sich gegenbeweislich auf das Zeugnis der Jugendamtsmitarbeiterinnen Z2 und Z3 bezogen.

Das LG hat die Klage nach Vernehmung der Zeuginnen Z1, Z2 und Z3 abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Aussage der Zeugin Z1 sei "negativ ergiebig". Aus ihren Bekundungen ergebe sich nicht, dass die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes hätten erkennen oder zumindest den Verdacht haben müssen, dass die leibliche Mutter der Kinder während der Schwangerschaften in missbräuchlicher Weise Alkohol getrunken habe. Die gegenbeweislichen Aussagen der Zeuginnen Z3 und Z2 seien bereits nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen hätten die Zeuginnen bekundet, dass das Verhalten der Zeugin Z1 ihnen gegenüber stets unauffällig bezüglich eines möglichen Alkoholkonsums gewesen sei.

Eine weitere Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen Z4 und Z5 sei nicht durchzuführen gewesen. Von Klägerseite seien keine konkreten Anknüpfungstatsachen für den streitigen Vortrag dargelegt worden, aufgrund derer die Mitarbeiter der Adoptionsvermittlungsstelle hätten erkennen können, dass bei der Kindesmutter eine Alkoholerkrankung oder auch nur der übermäßige Genuss von Alkohol während der Schwangerschaft gegeben war, woraus sich eine Pflicht zur weiteren Ermittlung oder zur Aufklärung der Kläger ergeben hätte.

Die Beiziehung der Jugendamtsakten sei als unzulässiger Ausforschungsbeweis nicht angezeigt.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Sie rügen eine mangelhafte Beweiserhebung und -würdigung durch das LG und eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör: Das LG habe es versäumt, den gesamten Streitstoff, insbesondere die Briefe der Zeugin Z1, ordnungsgemäß zu würdigen und es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die weiteren Zeugen, den geschiedenen Ehemann der Kindesmutter, Herrn Z4, und ihren damaligen Lebensgefährten, Herrn Z5, zum behaupteten Alkoholkonsum der Kindermutter vor und während der Schwangerschaften und zur behaupteten Kenntnis des Jugendamtes zu vernehmen. Auch die Tatsache, dass das LG ihren Antrag auf Beiziehung der Jugendamtsakten betreffend die beiden älteren Kinder der Zeugin Z1 als unzulässigen Ausforschungsbew...

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