Leitsatz (amtlich)
1. Der Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einer GmbH, an der ein Mitglied des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft nicht nur marginal beteiligt ist, bedarf analog § 114 Abs. 1 AktG der Zustimmung des Aufsichtsrats.
2. Das betroffene Aufsichtsratsmitglied ist bei der Beschlussfassung über die Zustimmung nicht stimmberechtigt. Der Beschluss eines dreiköpfigen Aufsichtsrats hierüber ist mangels Beschlussfähigkeit auch dann wirksam, wenn sich das betroffene Aufsichtsratsmitglied der Stimme enthält. (Anschluss an BayObLG NZG 2003, 691 ff.).
Normenkette
AktG § 108 Abs. 2 Nr. 3, § 113 f., § 114
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.12.2004; Aktenzeichen 2-14 O 16/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21.12.2004 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 125.700,66 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.2.2004 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger ist Insolvenzverwalter der X AG (nachfolgend: Schuldnerin), für die die Beklagte im Jahre 2001 Unternehmensberatungsleistungen erbrachte und i.H.v. 125.997,21 EUR liquidierte. Der Vorsitzende A des Aufsichtsrats der Schuldnerin war mit einem hälftigen Geschäftsanteil als Gesellschafter an der Beklagten beteiligt. Der Kläger fordert das o.g. Honorar mit der Begründung zurück, die Zahlungen seien insolvenzrechtlich anfechtbar, außerdem liege ihnen mit Rücksicht auf § 114 AktG kein wirksamer Vertrag zugrunde.
Zur Darstellung der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen auf Rechtsausführungen gestützt. Sie behauptet, dem die Genehmigung des Rahmen-Beratungsvertrags zwischen ihr und der Schuldnerin betreffenden Aufsichtsratsbeschluss sei als integraler Bestandteil eine Liste mit Einzelaufträgen beigefügt gewesen, die die einzelnen Beratungsgegenstände weiter konkretisiert hätte (Tabelle auf S. 14 f. der Berufungsbegründung vom 23.2.2005, Bl. 329 f. d.A. = S. 5 des Schriftsatzes vom 29.9.2004, Bl. 242 d.A.). Auch die Rechnungen und die "Time-Sheets" hätten dem Aufsichtsrat vor der Beschlussfassung vorgelegen; A habe dem Aufsichtsrat bei dieser Gelegenheit jeweils den konkreten Beratungsgegenstand, die beratende Person, die Stundenzahl und die Höhe der Vergütung genannt.
Die Beklagte beantragt, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil, bestreitet insb. eine wirksame Zustimmung des Aufsichtsrats der Schuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
B. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur zu einem geringen Teil - bezüglich ihrer sich auf 296,55 EUR belaufenden Forderung für die zweimalige Bewirtung des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Schuldnerin - begründet; die diesbezüglichen Abreden betrafen nicht eine Tätigkeit höherer Art i.S.d. § 114 Abs. 1 AktG. Der Kläger hat im Übrigen nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB einen Anspruch auf Honorarrückzahlung, weil die Verträge, auf deren Grundlage die Beklagte die Schuldnerin beraten hat, mangels hinreichender Konkretisierung der zu erbringenden Beratungsleistung und des geschuldeten Honorars nicht genehmigungsfähig waren und deshalb nach §§ 113 AktG, 134 BGB unwirksam sind (I.); die Honorarzahlungen der Schuldnerin entbehrten des rechtlichen Grundes. Wenn die Verträge dementgegen als genehmigungsfähig anzusehen wären, wäre die Klage doch im nämlichen Umfange aus § 114 Abs. 2 AktG begründet, weil es jedenfalls an einer wirksamen Genehmigung des Aufsichtsrats fehlt (II.).
I. Die Beratungsverträge zwischen der Schuldnerin und der Beklagten sind unwirksam.
1. Die Wirksamkeit dieser Verträge hing entsprechend § 114 Abs. 1 AktG von der Zustimmung des Aufsichtsrats der Schuldnerin ab.
a) Dass das Zustimmungserfordernis des § 114 Abs. 1 AktG über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nicht nur für unmittelbar mit dem Aufsichtsratsmitglied geschlossene Verträge gilt, sondern auch für bestimmte Gesellschaften, die dem Umfeld des Aufsichtsratsmitglieds zuzuordnen sind, ist außer Streit. Die Vorschrift wäre sonst ohne Weiteres zu umgehen. Streitig ist lediglich die Begründung und der Umfang ihrer Erweiterung. Teilweise wird für eine analoge Anwendung des § 115 Abs. 3 AktG plädiert (...