Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrvergütung für unvorhergesehene Bodenbelastung
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 16.08.2019; Aktenzeichen 5 O 123/16) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16 08.2019 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden teilweise abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu zahlen
a) 3.130,06 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8,52 % p. a. seit dem 23.04.2016,
b) 7.676,58 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8,52 % p. a. seit dem 17.06.2016.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 61 %, der Beklagte zu 39 % zu tragen.
Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
A. Die Klägerin begehrt vom Beklagten Restwerklohn für Roh- und vorbereitende Erdbauarbeiten zur Erstellung eines Mehrfamilienhauses in Stadt1, dies auf der Grundlage eines am 28.02./04.03.2015 unter Einbeziehung der VOB/B geschlossenen Bauvertrages. In der Berufungsinstanz konzentriert sich der Streit zwischen den Parteien auf die Frage, ob die Klägerin mit Rücksicht auf unvorhergesehene Bodenbelastungen eine Mehrvergütung in Höhe von 19.845,51 EUR beanspruchen kann. Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme die Klage insoweit abgewiesen und den Beklagten wegen anderer, nun nicht mehr im Streit befindlicher Positionen in Höhe von 3.130,06 EUR nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe verurteilt.
B. Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Zusatzvergütung in Höhe von weiteren 7.676,58 EUR sowie auf eine höhere Verzinsung ihrer Restwerklohnforderung.
Gründe
I. Das Landgericht hat hinsichtlich der Mehrkosten für die Deponierung belasteten Aushubmaterials zu Unrecht eine Nachtragsforderung bereits dem Grunde nach abgelehnt. Die Klägerin hat die Berechtigung dieser ihrer Forderung allerdings nur zum Teil bewiesen. Sie hat einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B in Höhe von 7.676,58 EUR.
1. Das Landgericht stellt noch zutreffend fest, dass der Bauvertrag keine ausdrückliche Regelung für den Fall trifft, dass kontaminiertes Erdreich zu entsorgen ist.
2. Das Landgericht legt seiner Entscheidung des Weiteren zutreffend die VOB/B 2012 zugrunde. Die teilweise Verwechslung von Nummern und Absätzen im angefochtenen Urteil ist in der Sache belanglos mangels diesbezüglicher inhaltlicher Änderungen der VOB/B.
3. § 2 Abs. 7 VOB/B ist auf den vorliegenden Einheitspreisvertrag offensichtlich unanwendbar. Die Frage einer Anwendung von § 2 Abs. 8 VOB/B stellt sich nicht, weil § 2 Abs. 5 VOB/B anzuwenden ist; demgemäß kommt es auch nicht auf ein nachträgliches Anerkenntnis des Beklagten und die diesbezügliche Beweiswürdigung des Landgerichts an.
4. Der Mehrvergütungsanspruch der Klägerin aus § 2 Abs. 5 VOB/B scheitert entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht am Fehlen einer Anordnung. Diese ist im Verlangen des Beklagten zu sehen, das nach Vertragsschluss als belastet erkannte Aushubmaterial abzufahren. Nicht die Anordnung ist problematisch, sondern die Änderung.
5. Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, der Abtransport und das Deponieren des belasteten Aushubmaterials seien von vornherein vertraglich geschuldet gewesen, weshalb die Klägerin dafür keine zusätzliche Vergütung beanspruchen könne. Diese Annahme beruht auf Auslegungsfehlern und einem unbrauchbaren Sachverständigengutachten.
(a) Das Landgericht stellt letztlich entscheidend darauf ab, dass die Klägerin - wie alle anderen Bieter auch - die Bodenverhältnisse insbesondere hinsichtlich etwaiger Kontaminationen auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses und des vom Beklagten eingeholten Baugrundgutachtens nicht zuverlässig einschätzen konnte, diese Unklarheit durch eine Nachfrage hätte beseitigen müssen; es folgert daraus, dass sie schon nach dem ursprünglichen Vertrag auch die Abfuhr und die Entsorgung belasteten Aushubs geschuldet habe, was mit dem Angebotspreis abgegolten sei. Das geht im Ansatz fehl:
Die Leistungsbeschreibung ist hinsichtlich der Qualität des abzufahrenden Aushubs auslegungsbedürftig. Es ist zwar richtig, dass das mit den Ausschreibungsunterlagen verteilte Baugrundgutachten zur Schadstoffbelastung keine abschließende, klare Aussage enthielt. Allein hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Klägerin als Bieter insoweit alle Risiken übernommen hat. Der Bieter, der an einem auf einen VOB-Vertrag zielenden Ausschreibungsverfahren teilnimmt, darf nämlich grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Ausschreibende die Ausschreibungsregeln der VOB/C einhält. Diese sehen u. a. eine Beschreibung der Bodenverhältnisse vor, soweit diese für die Kalkulation der Bieter erheblich sind, und zwar nicht nur hinsichtlich der Festigkeit (Bodenklassen), sondern auch h...