Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Berufungsunfähigkeit trotz Aggravasitionstendenzen des Versicherungsnehmers
Verfahrensgang
LG Fulda (Urteil vom 23.12.2016; Aktenzeichen 3 O 579/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 23.12.2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 929.667,89 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte für den Zeitraum ab ...2011 aus zwei bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen (BUZ) zu einer Lebensversicherung und einer Altersrentenversicherung in Anspruch.
Der 196x geborene Kläger ist studierter Wirtschaftswissenschaftler und war seit 1994 Gesellschafter und Geschäftsführer der "X GmbH", einem Raumausstattungsunternehmen. Vor dem behaupteten Versicherungsfall (...2011) beschäftigte der Kläger in seinem Betrieb neun Mitarbeiter in Vollzeit, zwei Mitarbeiter in Teilzeit und zehn Aushilfen. Am 18.03.2011 stellte der Kläger wegen drohender Zahlungsunfähigkeit für die Gesellschaft einen Insolvenzantrag. Am 23.03.2011 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Kläger hat bei Rechtsvorgängern der Beklagten zwei Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen (BUZ) abgeschlossen. Bei beiden Versicherungen bestehen Leistungsansprüche ab einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50 %, insofern wird auf die jeweiligen Versicherungsbedingungen (K2; Bl. 39-41 Bd. I d.A; K6, Bl. 46-49 Bd. I d.A.) Bezug genommen, die jeweils in § 2 die Voraussetzungen für die Annahme von Berufsunfähigkeit regeln.
Die Lebensversicherung mit der Nr. 10 sieht als Leistung eine Berufsunfähigkeitsrente von 3.152,26 EUR monatlich, eine Bonusrente von 1.110,22 EUR monatlich und eine Befreiung von den Prämien für die Lebensversicherung und für die BUZ von 352,12 EUR vor. Die Rentenversicherung mit der Nr. 11 sieht als Leistung eine Berufsunfähigkeitsrente von 3.627,66 EUR monatlich, eine Bonusrente von 2.535,78 EUR monatlich und eine Befreiung von den Prämien für die Rentenversicherung und für die BUZ von 485 EUR monatlich vor. Zum Ablauf des 31.12.2012 vereinbarten die Parteien eine Beitragsstundung.
Mit Schreiben vom 18.11.2011 (K25, Bl. Bd. I 104-130 Id. A.) stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Auf die im Formular mehrfach vorgesehene Frage, seit wann der Antragsteller seine berufliche Tätigkeit nicht mehr ausführen kann, gab der jeweils Kläger "Eingeschränkt seit Ende 2008, gar nicht mehr seit 02/11" an.
Nach Einholung eines nervenärztlich-psychiatrischen Gutachtens vom 28.08.2012 (K26, Bl. 126-160 I d.A.) des A und eines testpsychologischen Zusatzgutachtens (K27, Bl. 161 f. I d.A.) erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 06.09.2012 die Leistungsablehnung.
Der Kläger hat behauptet, er leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, einer Panikstörung, einem chronischen Schmerzsyndrom, einem HWS/LWS-Syndrom und einem Tinnitus. Der Kläger habe gelitten und leide an einer Reihe von gesundheitlichen Beschwerden und gesundheitlichen Beeinträchtigungen, hinsichtlich derer im Einzelnen auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts verwiesen wird (dort S. 6, letzter Absatz, Bl. 480 f. Bd. II d.A.). Er sei auf Grund dieser Beeinträchtigungen ab ...2011 voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50% außerstande gewesen, seine berufliche Tätigkeit als Inhaber und Geschäftsführer der "X GmbH" auszuüben.
Der Kläger habe grundsätzlich drei verschiedene Arten von Arbeitstagen gehabt: etwa 30-40% Büroarbeitstage, etwa 45-50% Akquise- und Außendienstarbeitstage und ca. 5-10% Messearbeitstage. Die anfallenden Tätigkeiten des Klägers an typischen Arbeitstagen hätten sich nach Art, Umfang, Häufigkeit und Anforderungen an die gesundheitliche Leistungsfähigkeit wie in Anlagen K8 bis K10 (Bl. 51-57 Bd. I d.A.) geschildert dargestellt.
Er hat die Ansicht vertreten, zu einer Betriebsorganisation bereits nicht verpflichtet zu sein. Unabhängig hiervon sei ihm eine Betriebsumorganisation, die ihm ein Betätigungsfeld belassen hätte, welches seine Berufsunfähigkeit ausgeschlossen hätte, auch nicht möglich bzw. zumutbar gewesen. Eine Tätigkeit in der Montage oder der Dekoration sei ihm wegen fehlender Ausbildung und auch auf Grund seiner Erkrankung nicht möglich gewesen. Mitarbeiter im Betrieb hätten nicht über die erforderliche Ausbildung verfügt, um die Geschäfte zu leiten. Die Einstellung eines Geschäftsführers als Ersatzkraft sei ihm aus finanziellen Gründen und wegen des damit verbunde...