Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbung für Arzneimittel mit Empfehlung Dritter; Irreführende Werbung mit Testergebnis; Prüfungsgegenstand des Aufhebungsverfahrens nach § 927 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. War ein gegen die konkrete Verletzungsform gerichteter Verfügungsantrag auf verschiedene Beanstandungen gestützt und ist die Unterlassungsverfügung durch das Gericht nur mit einer dieser Beanstandungen begründet worden, kann sich die Prüfung innerhalb eines Aufhebungsverfahrens nach § 927 ZPO auch darauf erstrecken, ob eine andere dieser Beanstandung die Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung rechtfertigt.
2. Eine nach § 11 I 1 Nr. 2 HWG n.F. verbotene Werbung mit einer Empfehlung kann auch dann vorliegen, wenn die Empfehlung nach dem Inhalt der Werbung nicht von einer natürlichen Person, sondern von einer Organisation abgegeben worden ist; als Empfehlung im Sinne der genannten Vorschrift ist auch das einem Testinstitut zugeschriebene "Gesamturteil sehr gut" anzusehen.
3. Die Werbung mit dem in Ziff. 2. genannten Testergebnis für ein Arzneimittel ist irreführend, wenn die Werbung den - unzutreffenden - Eindruck erweckt, Gegenstand des Tests sei auch Wirksamkeit des Arzneimittels gewesen.
Normenkette
WasG HE n.F. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; ZPO § 927; UWG § 5; WasG HE § 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.01.2014; Aktenzeichen 2-06 O 458/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 15.1.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert.
Der Aufhebungsantrag der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Aufhebungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, der gemäß seiner Satzung im Interesse seiner Mitglieder aus dem Bereich der Arzneimittelbranche u.a. die Einhaltung der Lauterkeitsvorschriften für die Werbung mit Heilmitteln überwacht. Die Antragsgegnerin stellt Pharmaprodukte her. Sie warb im September 2010 in der Zeitschrift "A" für ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel gegen Nagelpilz in der nachfolgend dargestellten Anzeige mit dem Hinweis "ÖKO-TEST Gesamturteil sehr gut" (Anlage AS4):
Abbildung entfernt
Die Werbung bezieht sich auf einen Artikel im Magazin "Öko-Test .../2010" (Anlage AS5).
Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin eine einstweilige Verfügung vom 18.10.2010 erwirkt. Er hat seinen Antrag auf Verstöße gegen die § 3 und § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG gestützt. Mit der einstweiligen Verfügung ist der Antragsgegnerin untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der beanstandeten Weise außerhalb der Fachkreise (Angehörige der Heilberufe oder des Heilgewerbes, Einrichtungen, die der Gesundheit von Mensch oder Tier dienen, oder sonstige Personen, soweit sie mit Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln erlaubterweise Handel treiben oder in Ausübung ihres Berufes anwenden) für das Fertigarzneimittel "Ciclopoli 8 % Nagellack" mit der Angabe "ÖKO-TEST Gesamturteil sehr gut" zu werben.
Das LG hat die einstweilige Verfügung auf §§ 3, 4, 8, 12 ff. UWG, § 11 HWG gestützt. Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG lautete in der im Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung:
"Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden
1. [...]
2. mit Angaben, dass das Arzneimittel, das Verfahren, die Behandlung, der Gegenstand oder das andere Mittel ärztlich, zahnärztlich, tierärztlich oder anderweitig fachlich empfohlen oder geprüft ist oder angewendet wird,
[...]."
Sie wurde mit Geltung ab dem 26.10.2012 durch das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012 (BGBl. I 2012, 2192) wie folgt geändert:
"Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden
1. (weggefallen) 2. mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen, von im Bereich der Tiergesundheit tätigen Personen oder anderen Personen, die auf Grund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können, beziehen,
[...]."
Die Antragsgegnerin begehrt daher gem. §§ 927 Abs. 1, 936 ZPO Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände.
Im Übrigen wird gem. § 540 I Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat hat die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Grundlage der einstweiligen Verfügung sei das Verbot in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG a.F. gewesen, mit Angaben zu werben, dass das Arzneimittel "anderweitig fachlich empfohlen oder geprüft ist". Die Neufassung mit ihrer Bezugnahme auf eine Empfehlung von u.a. Wissenschaftlern und "anderen Personen, die auf Grund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können", knüpfe demgegenüber a...