Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Vorliegen aufklärungspflichtiger Rückvergütungen bei der Anlageberatung (VIP 3)

 

Normenkette

BGB § 280

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.05.2010)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.5.2010 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert und zur Klarstellung wie folgt vollständig neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 42.000,- EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.1.2010 Zug-um-Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Kommanditistenbeteiligung an der ... VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. im Nennwert von 40.000,- EUR mit der Kommanditisten-Nr ... zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.530,57 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.1.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten als Schadensersatz die Zahlung des für die Zeichnung einer Beteiligung an der ... VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG für Anlagekapital und Agio aufgewendeten Betrages von 42.000,- EUR mit der Begründung, dass sie von der Beklagten fehlerhaft beraten worden sei. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass die Kundenberaterin der Beklagten der Klägerin in zwei Telefongesprächen die Beteiligung erläuterte und empfahl. Nach dem zweiten Telefongespräch begab sich die Klägerin in das Beratungszentrum der Beklagten, wo sie am 21.8.2003 den vorbereiteten Zeichnungsschein unterschrieb. Die Klägerin hat behauptet, einen Fondsprospekt nicht erhalten zu haben. Demgegenüber hat die Beklagte behauptet, der Klägerin sei der Emissionsprospekt ausgehändigt worden.

Das LG hat der Klage durch am 6.5.2010 verkündetes Urteil stattgegeben mit der Begründung, dass die Beklagte wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflicht aus dem Beratungsvertrag zum Schadensersatz verpflichtet sei, da sie die Klägerin nicht darauf hingewiesen habe, dass sie - die Beklagte - für den Erwerb der Beteiligung durch die Klägerin eine verdeckte Rückvergütung von 8,25 % des Anlagebetrages erhalte. Die Beklagte hat gegen das ihr am 14.5.2010 zugestellte Urteil am 11.6.2010 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 9.7.2010 begründet.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere macht sie geltend, nicht verpflichtet gewesen zu sein, ungefragt über die Vertriebsprovision aufzuklären. Die notwendige Aufklärung des Anlegers ergebe sich aus dem Fondsprospekt, der die erforderlichen Angaben über die Höhe der Vertriebsprovision sowie die Berechtigung des mit dem Vertrieb beauftragten Unternehmens darlegten, weitere Vertriebsunternehmen mit dem entgeltlichen Vertrieb unter zu beauftragen. Ein möglicher Interessenkonflikt der Beklagten sei somit für den Anleger erkennbar gewesen. Da die Klägerin den Prospekt vor der Zeichnung erhalten habe, habe es an ihr gelegen, ihn vor der Zeichnung zunächst durchzulesen. Sofern eine Verpflichtung zur Aufklärung über die Vertriebsprovision verletzt worden sei, fehle es jedenfalls am Verschulden. Keinesfalls habe sie vorsätzlich gehandelt, da sie sich in einem Rechtsirrtum befunden habe, der das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit ausschließe. Das ergebe sich daraus, dass es im Jahre 2003 keine Rechtsprechung gegeben habe, die für den Vertrieb geschlossener Fonds eine Provisionsmitteilungspflicht des Anlageberaters konstituierte. Die Entscheidung des BGH vom 20.1.2009 (XI ZR 510/07) enthalte sechs Neuerungen in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, die nicht vorhersehbar gewesen seien: Mit dieser Entscheidung habe der BGH die bisherige Rechtsprechung aufgegeben, dass erst ab einem Schwellenwert von 15 % eine Aufklärung über Innenprovision beim Vertrieb geschlossener Fonds erforderlich sei; ferner habe der BGH eine Pflicht zur Aufschlüsselung der Vertriebsprovision für einzelne Vertriebsbeteiligte neu eingeführt, den bisherigen Gleichlauf der Informationspflichten von Anlagevermittler und Anlageberater aufgegeben, einen allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz der Vermeidung vertragswidriger Interessenkollisionen eingeführt, die Pflichten zur Offenlegung einer Doppelvergütung auf unentgeltlich tätige Berater übertragen und schließlich die Gleichbehandlung des Vertriebs geschlossener Fonds und des Vertriebs von Wertpapieren trotz unterschiedlicher gesetzlicher Ausgangslage postuliert. Die Änderung der Rechtsprechung, die durch ihre Rechtsabteilung stets sorgfältig verfolgt worden sei, sei nicht vorherseh...

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