Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzanfechtung von Zahlungen vom Fremdkonto einer Rechtsanwaltskanzlei
Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbart ein Schuldner mit seinem Drittschuldner, dass eine Zahlung auf ein treuhänderisch geführtes Fremdkonto einer Rechtsanwaltskanzlei geleistet wird, und vereinbaren der zahlungsunfähige Schuldner und der mandatsführende Rechtsanwalt dieser Kanzlei, welche Gläubiger noch Zahlungen erhalten sollen - darunter die beratende Kanzlei für ihr Honorar - kann der Insolvenzverwalter die Kanzlei unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen Benachteiligung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO in Anspruch nehmen.
2. Erhält eine Rechtsanwaltskanzlei von einem entsprechend eingesetzten Fremdkonto Befriedigungen auf ihre Honorarzahlungen, liegen die Voraussetzungen für ein Bargeschäft nach § 142 Abs. 1 InsO nicht vor.
3. Die Gesellschafter einer Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften nach § 721 Satz 1 BGB persönlich auch für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Insolvenzanfechtung nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO. Zwischen Gesellschaft und Gesellschafter besteht keine Gesamtschuld.
Normenkette
BGB §§ 204, 421, 721; InsO §§ 129, 133, 142-143
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.12.2022; Aktenzeichen 2-13 O 295/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 07.12.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-13 O 295/21) wie folgt abgeändert:
Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 15.042,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.03.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.042,04 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger begehrt von den Beklagten Erstattung von Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 03.05.2018 vom Insolvenzschuldner X (Schuldner) beantragten und am 28.06.2018 vom Amtsgericht Darmstadt (Insolvenzgericht) eröffneten Insolvenzverfahren. In seinem Eröffnungsantrag gab der Schuldner Hauptforderungen i.H.v. 359.741,27 EUR an, darunter eine Forderung der Bank1 i.H.v. 268.285,06 EUR, sowie Nebenforderungen. Der Schuldner war als selbständiger Zahnarzt tätig und beauftragte die Beklagte zu 1) mit seiner rechtlichen Beratung. Der Beklagte zu 2) ist Rechtsanwalt und Gesellschafter der Beklagten zu 1), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Aufgrund von Krankheit verkaufte der Schuldner seine Praxis mit Vertrag vom 17.11.2017 an den Zeugen Y (Erwerber). Nach dem Vertrag schuldete der Erwerber als Kaufpreis 190.000 EUR. Nach § 10 Abs. 3 dieses Vertrags (Anlage K8, Bl. 74, 79 d. A.) sollte der Erwerber einen Teilbetrag von 35.160,30 EUR direkt an Firma1 überweisen, einem Gläubiger des Schuldners, den Rest auf ein noch zu benennendes Konto.
Nach einem "Nachtrag" zu dem Vertrag (Anlage K8, Bl. 79 d. A.), auf die der Vertrag in § 10 Abs. 3 Bezug nimmt, sollte der Erwerber
-einen weiteren Teilbetrag von 4.890,90 EUR mit dem Verwendungszweck "X, Kaufvertrag Praxis" direkt auf ein Konto der Beklagten zu 1) überweisen (was am 14.12.2017 so geschah), die dem Schuldner am 15.11.2017 ein Honorar in gleicher Höhe in Rechnung gestellt hatte (Anlage K7, Bl. 63 d. A.),
-einen weiteren Teilbetrag von 3.000,00 EUR mit dem Verwendungszweck "Provision B" direkt auf ein anderes Konto der Beklagten zu 1) überweisen,
-einen weiteren Teilbetrag von 146.948,80 EUR direkt an die Bank1 überweisen, die Gläubigerin des Schuldners war.
Der Erwerber kaufte vom Schuldner zudem eine Cerec Einheit für 35.000 EUR, wovon ein Teil für die Ablösung eines Gläubigers verwendet wurde und der Schuldner 11.502,31 EUR erhalten sollte (Anlage B3, Bl. 214 d. A.). Den letztgenannten Teil des Kaufpreises sowie den genannten Teilbetrag von 3.000,00 EUR des Kaufpreises für die Praxis, insgesamt also 14.502,31 EUR, leistete der Erwerber auf ein Fremdkonto, welches die Beklagte zu 1) für den Schuldner führte, als "Treuhandkonto" bezeichnete und auf dem diese Summe am 14.12.2017 gutgeschrieben wurde (Anlage K6, Bl. 155 d. A.; Anlage B6, Bl. 229 d. A.; Anlage B7, Bl. 230 d. A.).
Der Schuldner war vor dem Verkauf an einer schweren Depression erkrankt. Ab dem 14.09.2017 war er bis Februar 2018 arbeitsunfähig. Ab dem 02.10.2017 musste er stationär behandelt werden (Bl. 365 d. A.). Kurz zuvor erhielt die Beklagte zu 1) am 28.09.2017 eine Vollmacht betreffend "Schuldenbereinigung, Insolvenzantrag" (Anlage K10, Bl. 251 d. A.), deren Vollmachtstext von Rechtsanwältin A aus der Kanzlei der Beklagten zu 1) handschriftlich eingetragen worden war (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2022, S. 7, Bl. 370 d. A.). Der anschließende Verkauf der Praxis wurde von der Beklagten zu 1) beraten. Der Beklagte zu 2) war bei der Beklagten z...