Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung von Bildagenturen bei der Verbreitung von Bildnissen ohne Einwilligung des Abgebildeten.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 1004; KUG §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-3 O 129/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.12.2010; Aktenzeichen VI ZR 30/09)

 

Gründe

I. Die Beklagte betreibt ein Bildarchiv zur kommerziellen Nutzung durch Presseunternehmen. Der mehrfach wegen Tötungsdelikten verurteilte Kläger verbüßt seit 1983 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Über seine Straftaten wurde in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sowie über den letzten Fall 1983 bundesweit ausführlich berichtet. Die Beklagte stellte aus ihrem Archiv der X. GmbH ein Bildnis des Klägers zur Verfügung, das diese zur Illustration eines in der ... ausgabe ... des "X" veröffentlichten Artikels "..." verwendete (Anl. K 1).

Der Kläger, der hierin eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild sieht, nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Herausgabe des Bildnisses des Klägers an die X-... GmbH sei gem. § 23 KUG gerechtfertigt. Die berechtigten Interessen des Klägers würden durch die Weitergabe des Bildnisses nicht verletzt, weil die Weitergabe allein noch nicht zu einer Veröffentlichung führe. Für eine mögliche Verletzungshandlung durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos in dem Magazin "X" hafte die Beklagte auch nicht als Störer. Eine Verpflichtung des Betreibers eines Bildarchivs, ausnahmslos oder regelmäßig vor Herausgabe von angefordertem Bildmaterial zu prüfen, für welche Zwecke dieses verwendet werden soll, bestehe nicht. Die Beklagte habe nur zu prüfen, ob es sich um Bildnisse handelt, die dem Tatbestand des § 23 Abs. 1 KUG unterfallen und ob an deren Veröffentlichung überhaupt ein berechtigtes Informationsinteresse bestehen könne.

Nur wenn auf der Grundlage gefestigter Rechtsprechung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Abbildung des Klägers im Rahmen einer Presseberichterstattung zulässig gewesen wäre, hätte die Beklagte nach Auffassung des LG eigene Prüfpflichten verletzt. Diese Voraussetzungen lägen jedoch in Anbetracht dessen, dass nicht allein die Verurteilung oder ein bestimmter Zeitablauf die Veröffentlichung von Fotos eines Straftäters hindere, nicht vor. Wegen aller tatsächlichen Feststellungen und der weitergehenden Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Sie rügt, das LG habe verkannt, dass § 23 KUG nur so lange greife, wie das Interesse der Öffentlichkeit andauere. 25 Jahre nach der letzten Verurteilung bestehe kein zeitgeschichtliches Interesse an der bildlichen Identifizierung des Täters. Dem Verwerter von Personenbildern obliege auch bei Bildern aus dem Bereich der Zeitgeschichte eine besondere Sorgfaltspflicht. Die Beklagte sei nicht nur Störer, sondern Täter, weil die Weitergabe der Fotos das absolute Recht des Klägers verletze.

Der Kläger hat zunächst beantragt, der Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, ohne Zustimmung des Klägers Bildnisse des Klägers zu Zwecken der Veröffentlichung durch Presse- und Medienunternehmen zu verbreiten.

Auf Hinweis des Senats hat er zuletzt beantragt, der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, ohne Zustimmung des Klägers das Bildnis des Klägers in Anlage K 1 (Bl. 7 d.A.) Dritten zum Zweck der Veröffentlichung im Rahmen der Berichterstattung über den Kläger in dem Artikel "..." zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen:

Angesichts der aufsehenerregenden Taten des Klägers bestehe auch noch Jahre nach seiner Verurteilung ein besonderes öffentliches Berichterstattungsinteresse. Da Straftaten zur Sozialsphäre gehörten und über die Sozialsphäre grundsätzlich berichtet werden dürfe, dürften nur im Fall schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht negative Sanktionen an die Berichterstattung angeknüpft werden. Ein Betroffener habe auch nicht grundsätzlich Anspruch darauf, dass über ihn nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr berichtet werden dürfe. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse an der Berichterstattung über die Straftat.

Es fehle bereits an dem behaupteten Verstoß gegen § 22 KUG, denn sie, die Beklagte, habe die streitgegenständlichen Fotos gerade nicht in die Öffentlichkeit gebracht. Sie habe lediglich zulässig angefertigte Fotos aus ihrem Archiv auf Anfrage an eine professionelle Bildredaktion weitergegeben und diese sogar ausdrücklich auf die Klärung etwaiger persönlichkeitsrechtlicher Fragestellungen durch den Verwender hingewiesen. Es fehle daher an einer Verbreitungshandlung durch die Weitergabe der Fotos.

Der Kläger verkenne, dass die angegriffene Bildberichterstattung ...

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